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Prof. Martin März vom Lehrstuhl für Leistungselektronik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg gab mir eine Privatvorlesung in Geschichte der E-Autos.

Ute Möller
05.07.2022
Lesezeit: 4 Min.

Um 1900 war es schick, dann weg vom Fenster: Das E-Auto

Dies ist eine kurze Geschichte der E-Mobilität. Geschrieben mit einem großen Dankeschön an Prof. Martin März vom Lehrstuhl für Leistungselektronik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der mir eine private Vorlesung hielt. Und als Einstimmung auf die erste Veranstaltung von Flamingo und Dosenbier am Mittwoch, 6.Juli 2022, 17 Uhr, in der Kulturwerkstatt Auf AEG in Nürnberg. Im Rahmen des Nürnberg Digital Festivals heißt es „Mehr Frauen in der E-Mobilität: Sie bewegen was“.

Und erfinden tun Frauen natürlich auch vieles. Im Kontext Auto wird gerne auf den Blinker verwiesen. Ist ja auch ein wichtiges Detail. Aber es geht auch größer. Ich wusste nicht, dass es Sophie Opel war, die 1898 mit dem Bau von Autos begann, nachdem Adam Opel Nähmaschinen und Fahrräder gebaut hatte.

Um die Jahrhundertwende gab es, wer hätte das gedacht, mehr Elektroautos als Verbrenner auf den Straßen. Bereits in den 1830er Jahren wurden erste Fahrzeuge von Batterien oder Elektromotoren angetrieben. Das waren aber noch keine Autos im heutigen Verständnis. Das erste Elektroauto der Welt wurde wohl ausgerechnet im oberfränkischen Coburg von Andreas Flocken entwickelt. Das war 1888, eine Schnapszahl, die auf das teils verrückte Auf und Ab der E-Mobilität schon einen Hinweis hätte geben können.

E-Auto ganz ohne Kurbel

Zeitgleich mit Carl Benz, der 1886 seinen Motorwagen zum Patent anmeldete, tüftelte also Andreas Flocken am Stromer. Der sah aus wie eine breite Kutsche ohne Pferde, ein Freisitz auf vier Rädern, gemütlich und eine Freude für die Dorfjugend, wenn sie das Gefährt schieben durfte, weil die Batterie mal wieder leer war.

Um die Jahrhundertwende waren Elektrofahrzeuge aber an sich eine ziemlich coole Sache. Und zwar ganz einfach, weil sie leichter ansprangen. Verbrenner musste man nämlich mit der Kurbel anlassen, und das war verdammt mühsam, gefährlich und wenn es regnete äußerst unkomfortabel. Der Anlasser war aber noch nicht erfunden und so musste man eben kurbeln – oder elektrisch fahren. Letzteres wurde als feine Sache für Frauen angepriesen, für die das Kurbeln als zu anstrengend galt.

Als dann um 1920 der Elektroanlasser erfunden war, fiel geradezu zwangsläufig für den Stromer erst mal der Vorhang. Das zweite schlagende Argument für die Verbrenner war die höhere Reichweite. Damals nutzte man noch Blei-Akkus und da konnte man froh sein, wenn man 45 oder 50 Kilometer weit fahren konnte. Für die Verbrenner aber gab es bald ein recht vernünftiges Tankstellennetz es war Schluss mit den Stromern für mehr als ein halbes Jahrhundert.

Opening-Night des Nürnberg Digital Festivals: Es gab spannende Keynotes auf die gelb glühenden Ohren.

Bis zur Ölkrise 1972. Martin März erinnert mich daran, dass man da auf den Autobahnen Rad gefahren ist, wenn das Sonntagsfahrverbot galt. Im Zuge der Ölkrise explodierten die Benzinpreise und es gab diverse Versuche, statt mit Kraftstoff eben mal wieder elektrisch zu fahren.

Es waren einzelne Ansätze, die aber von Anfang an zum Tod verurteilt gewesen seien. „Denn die Technik gab es noch nicht her, niemand hätte ein robustes, alltagstaugliches Fahrzeug mit der damaligen Battterietechnologie bauen könne.“  Lithium-Akkus waren noch nicht erfunden, die kamen erst Anfang der 80er Jahre.

Und mit ihnen entstand tatsächlich noch mal eine kleine E-Auto-Welle, sagt Prof. März. „Audi versuchte mit dem Modell Duo ab 1986 E-Autos auf den Markt zu bringen. Aber die fuhren immer noch mit Blei-Akkus und waren auch eine Totgeburt. Die Reichweite lag immer noch bei gerade mal 50 Kilometern.“  

General Motors bot von 1996 bis 1999 den IV1 ein. Doch das sagenumwobene Elektroauto wurde stillschweigend wieder vom Markt genommen und verschrottet. Von der dubiosen Geschichte des IV1 erzählt der Dokumentarfilm „Who killed the electric car?“ von 2006 des Regisseurs Chris Paine.

Als das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB in Erlangen 2000 begann, Komponenten für E-Fahrzeuge zu entwickeln, seien sie noch belächelt worden, sagt März, der damals schon mit dabei war. „Viele sagten: Man wird doch nie elektrisch fahren! Dann haben wir halt Komponenten für Hybridfahrzeuge entwickelt.“

Elon Musk packte 8000 Laptopzellen zusammen

Erst mit dem genialen Ansatz von Elon Musk, Laptopzellen zu nutzen, sei Fahrt in die Elektromobilität gekommen. „Niemand sonst wäre auf die Idee gekommen, diese kleinen Zellen, die schon damals in hohen Stückzahlen produziert wurden, für Autos zu nutzen. Die einzelne hat ja praktisch keinen Energieinhalt und kein anderer hätte sich damals getraut, 8000 dieser Zellen zusammenzuschalten. Es hätte jeder damit gerechnet, dass der Speicher alle paar Minuten kaputt geht, weil eine Zelle immer kaputt geht.“

Aber es funktionierte. Die Zellen sind seitdem immer größer geworden. Anfangs waren sie so klein wie AA-Batterien. Jetzt sind sie so groß wie Monozellen. Und nach wir vor ist in der Batterietechnologie viel Bewegung drin.

Aktuell geht es darum, grüner und nachhaltiger zu produzieren. Mit weniger Kobalt und Lithium, deren Abbau schlecht für die Umwelt ist und auch für die Menschen, die die Arbeit machen müssen. „Lithium-Eisenphosphat-Batterien kommen ganz ohne Kobalt aus, 86 Prozent der in China produzierten Tesla fahren schon damit, bald sollen es alle sein“, erklärt mir März.

In Deutschland sei es mühsam gewesen, das Thema anzuschieben. An reine Stromer habe zu Beginn der 2000er Jahre keiner gedacht. „An Hybridfahrzeuge schon, da konnte man die Verbrennungsmotoren ja weiter verbauen und wenn die Politik es unbedingt wollte, einen kleinen E-Motor dazu tun.“

Mobilitätswende jetzt! Wer an Alternativen glaubt, irrt!

Gnadenlos den Schalter umgelegt habe VW-Vorstand Herbert Diess, der bis 2030 die Verbrenner-Produktion auslaufen lassen wolle. „Daimler laviert immer noch rum, der Anteil der E-Autos wird steigen, aber E-Fuels als Retter für den Verbrenner spielen für Daimler noch eine große Rolle.“

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die mittels Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden. Im Betrieb sind Verbrenner mit E-Fuels so dreckig wie herkömmliche Verbrenner, doch die Entnahme des CO2 aus der Atmosphäre, aus Biomasse oder Industrieabgasen macht sie auch für die Europäische Union zu einer saubereren Sache. Die EU will ja auch nach 2035 noch den Verkauf von Verbrennern zulassen, die E-Fuels tanken. „Auch Porsche tut gerade wieder mit denen rum, um die ganz großen SUVs zu retten, die mit Batterien schwer zu realisieren sind“, sagt März.

Es dauert noch, bis technologischer Fortschritt mit dem so nötigen Umdenken hin zu einer tatsächlich ökologischen Form des Fortbewegens zusammen geht. Zeit haben wir dafür eigentlich keine, die Klimakrise wartet nicht. Auch darüber werde ich am 6. Juli 2022 mit meinen spannenden Diskussionsgästen Dr. Katharina Helten von Vitesco Technologies, Anette Kempf von Eclipseina und Dr. Sabine Gräbe von Valeo sprechen.