Foto: Büro Dorothee Bär

Dorothee Bär will frauenfeindlichen Zwischenrufen der AfD im Bundestag entgegentreten.

Ute Möller
18.03.2025
Lesezeit: 5 Min.

„Politikerinnen begegnet zunehmend Hass“

Was wollen weibliche Abgeordnete im Bundestag für Gleichstellung tun? Als Erste antwortet Dorothee Bär auf die Fragen von Flamingo und Dosenbier

Der Frauenanteil liegt im neuen Bundestag bei 32,4 Prozent und ist somit 2,3 Prozentpunkte niedriger als nach der Wahl 2021. Damit werden wir Bürger:innen zu über Zweidrittel von Abgeordneten vertreten, die männlich gelesen werden. Flamingo und Dosenbier, das Empowement-Magazin aus Nürnberg, fragte die Mandatsträgerinnen der demokratischen Parteien aus Bayern, was sie tun, um dem gleichstellungspolitischen Rückschritt Paroli zu bieten. Den Auftakt macht CSU-Politikerin Dorothee Bär.

Wenn von den 630 Abgeordneten des 21. Bundestags nur 204 Frauen sind, zeigt dies eins deutlich: Die politischen Parteien in Deutschland tragen weiterhin nicht dafür Sorge, dass sich unsere vielfältige Gesellschaft auch vielfältig vertreten sieht. Dies zeigt sich nicht nur darin, dass eine Hälfte der Gesellschaft unterrepräsentiert ist. Der Anteil der Abgeordneten mit Migrationsbiografie liegt im neuen Bundestag, der sich wohl am 25.3. 2025 zum ersten Mal zusammenfindet, nur bei 11,6 Prozent (ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt 29,7 Prozent). Junge Abgeordnete unter 35 Jahren machen 16,2 Prozent der Mandatsträger*innen im Bundestag aus (ihr Bevölkerungsanteil liegt bei 36,5 Prozent). Die zahlenmäßig stärkste Altersgruppe ist die der 50- bis 59-Jährigen. 80 Prozent der Abgeordneten hatten Jobs in Rechtsberufen und Verwaltungen – dies spiegelt ganz sicher nicht wieder, wie Menschen in Deutschland arbeiten.

Männer sichern Männer ab

Dass die AfD kaum Frauen aufstellt und Vielfalt attackiert, ist bekannt. Die Rechtsextremen schicken nur zwölf Prozent Frauen in den Bundestag. Aber auch CDU/CSU sind lediglich mit 23 Prozent Frauen vertreten.

Die EAF geht davon aus, dass Parteien bevorzugt Männer in als „sicher“ geltenden Wahlkreisen aufgestellt haben und dass CDU/CSU aufgrund des neuen Wahlrechts auch bei der Aufstellung der Wahllisten Männer durch aussichtsreiche Plätze absichern wollten.

Ist es Zufall, dass im Wahlprogramm der männerdominierten CDU/CSU gleichstellungspolitische Forderungen laut Wahlprüfsteinen des Deutschen Frauenrats nur eine untergeordnete Rolle spielten? Oder ist dies nicht vielmehr eine Folge der Tatsache, dass Führungspositionen bei den Konservativen vor allem eines sind: Männlich und damit ohne unmittelbaren Zugang zu der Erfahrung wie es ist, als weibliche Person in unserer Gesellschaft aufzuwachsen, zu arbeiten, eine Familie zu gründen, das Recht auf den eigenen Körper zu verteidigen und alt zu werden.

Der Frauenanteil in der neuen SPD-Bundestagsfraktion beträgt 42 Prozent, bei den Linken 56 Prozent und den Grünen 61 Prozent.

Dorothee Bär will Frauengesundheit in den Fokus rücken

Was ist zu tun, um jetzt trotz der rückschrittigen Zusammensetzung des Bundestags gleichstellungspolitisch nicht nachzulassen? Das fragte Flamingo und Dosenbier die neuen und alten bayerischen Bundestagesabgeordneten. Von 24 angeschriebenen Volksvertreterinnen von CSU, Grünen, der Linken und der SPD haben bisher acht auf die drei Fragen der Redaktion geantwortet.  Die Antworten bleiben unkommentiert.

Den Auftakt macht Dorothee Bär. Die Fränkin gehört seit 2002 für die CSU dem Bundestag an. Seit 2021 ist die 46-Jährige eine der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Jetzt sitzt Bär mit am Verhandlungstisch bei den Koalitionsgesprächen von CDU/CSU und SPD. Und – in Bayern ist dies kein ganz unwichtiges Detail – am Nockherberg hatte sie 2025 erstmals ein eigenes Double. Bei der traditionellen Salvatorprobe wurde sie von „Tatort“-Schauspielerin Eli Wasserscheid dargestellt. Zuletzt wurde Bär dafür kritisiert, dass sie Kanzleraspirant Friedrich Merz als empathischen Verhandlungsführer bezeichnet hatte.

Frau Bär, für welche frauenpolitischen Fragen setzen Sie sich in Berlin ein?

Dorothee Bär: In der vergangenen Legislatur habe ich als zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion viele frauenpolitische Themen vorangetrieben. Mit dem Gewalthilfegesetz ist uns ein frauenpolitischer Meilenstein gelungen. Der Rechtsanspruch auf Schutzplätze für betroffene Frauen ist ein wichtiger Schritt. Keiner Frau, die von Gewalt betroffen ist, darf Schutz und Hilfe verwehrt bleiben.

Gleichzeitig stand für mich das Thema Frauengesundheit im Vordergrund. Die Wechseljahre sind eines der letzten Tabu-Themen, das sich bis in unsere aufgeklärte Zeit gehalten hat. Wir brauchen mehr Wissen, mehr Gelder für die Erforschung, mehr Beratung, bessere Therapien, mehr Akzeptanz und mehr Verständnis. Gleiches gilt für die Krankheit Endometriose. Eine stark unterschätzte Krankheit, die bei Millionen Frauen in Deutschland schlimme Schmerzen auslöst. Eine Volkskrankheit über die kaum gesprochen wird.

Was bedeutet aus Ihrer Sicht das Erstarken der extremen Rechten im Bundestag für Frauenpolitik und Chancengleichheit?

In den vergangenen Jahren musste ich im Plenarsaal des Deutschen Bundestages direkt neben den Abgeordneten der AfD sitzen. Dort habe ich ihr Verhalten gegenüber Frauen sehr genau mitbekommen. Sexistische Aussagen kamen nicht nur von den männlichen Abgeordneten, sondern teilweise gerade von den weiblichen. Aussagen, die mich erschüttert haben.

Aussagen, mit denen sie versuchen, uns beim Thema Gleichstellung zwischen Mann und Frau, um Jahrzehnte zurückzuwerfen. Es gibt unzählige Beispiele dafür, dass Frauen von der AfD, nur aufgrund ihres Aussehens, kritisiert und angegangen wurden. Der Ton im Deutschen Bundestag hat sich massiv verschärft. Frauenfeindliche Zwischenrufe sind keine Seltenheit. Das ist nicht akzeptabel. Dem müssen wir entschieden entgegentreten

32,4 Prozent Frauen im Bundestag – das sind weniger als in der vorangegangenen Legislatur. Wie sehr ärgert Sie das? Wie kriegen wir mehr Frauen in die Parlamente?

Selbstverständlich würde ich mir wünschen, dass der Frauenanteil im Deutschen Bundestag deutlich höher liegen würde. Es ist ein großes Problem, dass es weiterhin zu wenige Frauen in der Politik gibt. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Das neue Wahlrecht hat vor allem der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geschadet. Einige Kolleginnen haben ihre Wahlkreise direkt gewonnen, werden aber nicht mehr in den Bundestag einziehen. Nicht nur im Hinblick auf unserer Demokratie ist das mehr als fragwürdig.

Auch mit Blick auf die anderen Fraktionen zeigt sich, dass der Frauenanteil im Deutschen Bundestag gesunken ist. Weniger als ein Drittel der Abgeordneten sind Frauen. Ein weiteres Problem ist der zunehmende Hass, dem Politikerinnen und ihre Familien begegnen. Dem müssen wir entgegentreten, damit sich zukünftig wieder mehr Frauen in der Politik engagieren.

Im nächsten Kurzinterview: Lisa Badum (Grüne)