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Scharfer Hund gegen Power-Flamingo: Wo sind die Frauen in der bayerischen Politik?

Ute Möller
10.11.2023
Lesezeit: 5 Min.

Per Livestream in die Vergangenheit

Der Wochenrückblick: Wie die bayerische Landespolitik Frauen raushält und FlaDo Banden bildet

Neue Routinen sind so eine Sache. Man freut sich drauf, es zwingt einen schließlich keiner, gewohnten Gewohnheiten neue unterzumischen. Zugleich hat der innere Schweinehund aber überhaupt keinen Bock drauf. Ich hör‘ ihm einfach nicht zu und hier kommt sie, die zweite Folge des Wochenrückblicks „FlaDo hat auch wieder eine Woche geschafft“.

Ehrlich gesagt, war es eine blöde Woche. Ich lag krank zu Hause rum. Aber zum Glück gibt es Livestreams und ich schaltete mich zu, als am Mittwoch die Mitglieder des neuen Kabinetts im bayerischen Landtag ihren Eid ablegten.

Und hey, tatsächlich scheint sich Ministerpräsident Markus Söder mit neuen Routinen genauso leicht zu tun wie ich. Mit großer Leichtigkeit präsentierte er jedenfalls das neue Kabinett, in dem noch weniger Frauen sitzen als in dem davor. Von 13 Ministerposten hat er ganz souverän vier durch Frauen besetzt. Zählt man noch die Staatssekretäre dazu, dann liegt der Frauenanteil bei 22 Prozent. Und – tata – damit ist Bayern bundesweit am wenigsten an der Mitarbeit von Frauen im politischen Spitzenteam interessiert.

Gute-alte Mad Men-Zeiten, als noch klar geregelt war, was Männer so tun und was Frauen nicht. Markus Söder ist auch Fan und führt Bayern zurück ins Goldene Zeitalter. Foto: Möller

Ich finde, dass Markus Söder in seine neue Routine als bekennender „Mich interessiert es nicht, ob Frauen angemessen mitentscheiden“ – Ministerpräsident souverän eingestiegen ist. Wobei – neu ist die natürlich gar nicht. Söder ist es nur noch wurschtegaler als bisher schon, dass er Frauen aus politischen Entscheidungen rauskickt. Einige Medien nennen ihn den „Flattermann“, weil er seine Haltung gerne ändere. Ich finde ihn weniger flatterhaft als standhaft. Gegen Parität und politische Gremien, die die Zusammensetzung unserer Gesellschaft widerspiegeln.

Im neuen Landtag mit konservativer Regierung und der AfD als drittstärkster Fraktion ist das Thema Gleichstellung chancenlos. CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek antwortet auf die Kritik von Grünen und SPD an dem geringen Frauenmachtanteil, dass auch ihm natürlich klar sei, dass beim Thema Gleichstellung noch viel Luft nach oben sei. Da könne man sich noch vieles wünschen, aber es müssten ja auch ausreichend Kandidatinnen für Posten bereitstehen.

Echte Leidensfähigkeit

Klar, das ist ein Problem. Vor allem in einer Partei wie der CSU, die sich gegen die Quote ausspricht und Männerbünde prima findet. Weshalb die einfach mal machen können, was sie wollen. Zum Beispiel alle Direktmandate kapern. Dass die Frauen trotzdem in der CSU bleiben, spricht für echte Leidensfähigkeit.

Auch der wiederernannte Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) ist nicht mehr zum Lachen zu Mute. Die Frauen-Union werde zu passender Zeit eine umsetzbare Frauenquote auf den Tisch bringen, kündigt sie an. Auch für ein Paritätsgesetz seien die CSU-Frauen offen.

Es geht ums Überleben

Kein Wunder, es geht um ihr Überleben: Gerade noch 19 Prozent beträgt ihr Anteil in der Landtagsfraktion. Scharfs Vorgängerin Carolina Trautner glaubt angesichts des Frauenknicks in der CSU-Machtriege plötzlich sogar an die Quote. Söder treibt Parteigenossinnen ins extreme Lager, so viel steht fest.

Hallo, hören Sie? Frauen putzen, Telefone sind beige und hängen an der Wand? Beides Blödsinn. Foto: Möller

Extremisten finde ich ansonsten alle zum Kotzen, da ist mir das Geschlecht völlig egal. Das Statement der AfD in der Landtagssitzung am Mittwoch von wegen „Wir müssen wieder Herr im eigenen Haus werden“ – in Bayern, in Deutschland, wer weiß sonst noch wo und wer überhaupt? – war ein geschmackloser Brei aus Überflüssigem von Vor-Vorgestern.

Machen wir es wie bei den Bienen

Jetzt stellt sich die Frage, was wir zusammen tun gegen einen Politikbetrieb, der Frauen ausblendet und damit ihre Sicht der Dinge? Wir können es machen wie 2019 bei den Bienen: Wir starten ein Volksbegehren zum Schutz von Frauen in der Politik, schreiben Markus Söder einen wütenden Brief mit 1000 Unterschriften und bringen unsere Forderungen medienwirksam unters Volk. Schließlich beeindruckt Markus Söder nichts so sehr wie die Stimme seines Wahlvolks. Wir sind die Hälfte, da geht doch was.

Klingt spinnert? Wer eine bessere Idee hat, her damit. Ich lade alle ein, darüber zu diskutieren, wie wir Bayern ganz konkret zu einem Bundesland mit gleichen Chancen machen. Ich werde beim Benefiz Flohmarkt, einem neuen Kulturformat für Nürnberg, am Samstag, 18. November 2023, 18.30 Uhr, am Start sein.

Kommt zum World-Café mit Flamingo und Dosenbier

Flamingo und Dosenbier bringt Zettel und Stifte mit ins World-Café „Die Hälfte der Macht den Frauen“. Der Benefiz Flohmarkt ist ein Projekt des Deutschen Theaters Kyiv und der Tanzwerkstatt Nürnberg und findet in der Oberen Kanalstraße 9 in Nürnberg statt. Schmieden wir Pläne und Banden!

Ich habe in dieser Woche im Bett nicht nur gestreamt, sondern auch gelesen. Zum Beispiel, dass an der Technischen Hoschschule Nürnberg zwar 59 Prozent Frauen studieren, aber nur 24 Prozent eines der MINT-Fächer, also Mathe, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik. Es lehren und forschen 20 Prozent Professorinnen an der Ohm-Hochschule, aber nur 13 Prozent im MINT-Bereich. Damit liegt der Frauenanteil noch deutlich unter dem im Landtag.

Was viele Gründe hat – angefangen bei Genderstereotypen über fehlende Familienfreundlichkeit der Hochschulen bis hin zu zeitlich befristeten Professuren. Alle Mentoringprogramme und Stipendien nutzen nichts, wenn Strukturen starr sind und sich Professor*innen Frauenförderung nicht klar zum Ziel machen. Das wird mit Blick auf den Mangel an Fachkräften noch zu großen Problemen führen.

Auch darüber können wir am 18. November ab 18.30 Uhr diskutieren.

FlaDo im Kino

Und wer vorher Lust auf Kino hat: Am Donnerstag, 16. November 2023, 19.30 Uhr, zeigt das Casablanca Filmkunsttheater in der Brosamerstraße 12 in Nürnberg den Film Cat Person. In der Verfilmung der Kurzgeschichte von Kristen Roupenians geht es um die Beziehung zwischen einer jungen Frau und einem älteren Mann, die im Kino beginnt und in einem Gefühlsgespinst aus Abwehr, Projektionen und Stalking endet. Im Anschluss an den Film lade ich mit Simon Weber von den Catcalls of Nürnberg zur Diskussion ein.

Und jetzt: Genießt das Wochenende, bringt die Bierbüchsen zum Zischen und den Flamingo zum Fliegen. Die nächste Woche kommt bestimmt!