Foto: Möller

Mann im Homeoffice, unten ohne: Können sich Männer nicht ordentlich anziehen, wenn Mama nicht nachhilft? Stereotype sind überall, schmeißen wir sie endlich in die Tonne!

Ute Möller
15.04.2022
Lesezeit: 5 Min.

Ostern machen wir uns schön – jede wie sie will!

Ich bin nicht gut genug? Von wegen! Ostern ist eine gute Zeit, um sich neue Geschichten über sich und für andere zu erzählen

Ostern, ist ja auch so eine Zeit für Erinnerungen.

Osterzeit, Kinderzeit, meine Eltern und ich fuhren immer zu meinen Großeltern in den bayerischen Wald. Und ich wusste: Dort wird es die ersten warmen Tage des Jahres geben und ich werde zum ersten Mal wieder ein Kleid ohne Strümpfe tragen. Das war wichtiger als alle Ostereier zusammen, die ich im Wohnzimmer fand, neben der Schrankwand oder unter der Hammondorgel.

Was ist bloß los? Ostertage im bayerischen Wald sind seit Jahren kalt. Und eher mal trüb. Und die Kinderzeiten feiern keine Auferstehung. Doch das mit dem ersten Tag im Frühlingskleid und nackten Beinen und barfuß laufen und einfach mal in die Sonne lachen, die sich an uns alle und an mich besonders verschwendet, das wäre immer noch toll.

Ostern schafft Erinnerungen, packen wir’s an

Waren das zuletzt krasse Zeiten, Corona, Homeoffice und kein Ende und was tu ich da eigentlich für was – und ich bin wirklich extrem dankbar, wenn ich jetzt in Klamottenläden gehe und mich da alles bunt und neonfarben anstrahlt. Ich kauf das grelle Zeug zwar ebensowenig wie damals in den Achtzigern, damals fühlte ich mich nicht genug wie Nena, heute weiß ich, dass ich auch dezenter strahlen kann.

Die Blondine hängt die Wäsche auf. Der Flamingo schüttelt den Kopf und wundert sich. Foto: Möller

Süss sein, bunt sein, nett sein, gefallen und immer dabei denken: Reicht noch nicht. Gut genug? Ich doch nicht. Lieber noch ne Schippe drauflegen.  Haut ist glatt, aber noch längst nicht glatt genug. Also noch mal nen Peeling druff – vielleicht wird‘s ja doch was mit der Sonne an Ostern.

Auch wirklich genug gearbeitet? Schließlich ist das nur eine Viertage-Woche. Da geht doch noch ne Schippe mehr von Montag bis Donnerstag. Sonst bin ich doch nicht gut genug.

Du bist doch toller als ich

Wie oft habe ich das von Frauen gehört, die super talentiert, erfolgreich und engagiert sind: „Ich dachte schon als Mädchen – gut genug bin ich erstmal nicht. Um einigermaßen zu passen, muss ich immer und bei allem noch ne Schippe draufpacken.“

Und ich denke dann immer: Das kann jetzt echt nicht sein. Du bist doch so viel toller als ich. Ich habe zu Recht mit mir gehadert, aber du? Echt jetzt? Wie kann ich dir da helfen?

Be a good girl

You’ve gotta try a little harder

That simply wasn’t good enough

To make us proud

Ich habe „jagged little pill“ von Alanis Morissette bei meinen Ostereinkäufen im Plattenladen Monoton in Nürnberg entdeckt und für drei Euro geile Erinnerungen gekauft. Ich habe die CD schon in den 90ern geliebt. Die Texte sind echt und die Musik so voller Widerstandskraft gegen alles Durchschnittliche und Angepasste. Gäb es die als Infusion mit einer Medizin, die uns endlich dauerhaft stolz macht auf alles, was wir geschafft haben, wäre das grandios.

Tu was du liebst – nicht nur an Ostern

Doch so einfach ist es nicht. Aber weiter zu jammern ist zu einfach. Ich habe davon jedenfalls genug.

Was zählt ist: Tun, was du liebst. Und davon nie so viel, dass du keine Kraft mehr hast und die Lust verlierst.

Respekt haben vor den eigenen Grenzen aber nicht vor dem, was andere erwarten.

Sich schön finden ohne Farbe. Mit nackter Haut, die im Moment weiß ist vom Winter und vielleicht bald gerötet vom Frühling.

Kurz mal laut lachen, wenn es einem schlecht geht, weil man weiß, dass in diesem Moment schon das nächste Glück drinsteckt. So krass er auch ist (geht nicht immer, ich weiß, ist aber mein Learning aus dem Buch „Yoga“ von Emmanuelle Carrère).

Zu Alanis Morissette tanzen und sich so scheiße jung fühlen.

Frühlingsgefühle halt.

Mutti gießt Vati nicht nur an Ostern den Kaffee ein

Und ach ja, da war noch was: Nachdem ich Alanis in meiner Papiertasche zufrieden verstaut hatte, kaufte ich in dem benachbarten Spezialladen für Miniatureisenbahnen (heißt fachmännisch – Späßle – bestimmt anders, waren aber nette Männer in dem Laden) noch drei Sets: Das eine heißt „Waschtag“ und zeigt eine Blondine, die Hemden auf die Leine hängt. Winzig und emsig und handbemalt. Beim „Frühstück“ schüttet Mutti Vati den Kaffee neben die Tasse. Sieht zumindest so aus. Und im „Homeoffice“ sitzt ein Mann mit weißem Hemd und roter Krawatte vor dem PC – unten ohne. Geht ja, sieht ja keiner. Und welcher Mann zieht sich schon gerne freiwillig komplett an?

Mutti schüttet Vati den Kaffee ein – kennen wir. Der Flamingo rät: Jede kann es anders machen. Ausreden gelten nicht und niemals. Foto. Möller

Ich musste so lachen über den Bodensatz an Klischees und alles Individuelle verzerrende Erwartungen, der da mit Liebe von Hand bemalt über die Miniaturspielzeugwelt gegossen wird. Ist nicht wegzuwischen, der Mist. Mit keinem Lappen und offensichtlich von keiner neuen Generation.

Auf einer Konferenz zum Thema „Frauen und Macht“ erzählte unlängst eine auf dem Podium, dass sie vor der Anreise morgens noch habe das Frühstück machen müssen fürs Kind und das Mittagessen vorkochen und wenn sie abends heim komme, müsse sie sicher dem Kind noch vorlesen. Und wegen all dem haben sie natürlich weniger Energie für so was wie Macht.

Osterwetter wird super, das Kochen auch

Alleinerziehend ist sie aber nicht, sie könne halt nicht anders, sagte sie noch. Und bekam Applaus für ihre offenen Worte. Der Vater kam in dem Diskurs nicht vor. Ist ja wirklich zu befürchten, dass der das Frühstück komplett verhunzen würde!

Morgen geht es wieder los – Ostern im bayrischen Wald. Bin gespannt wie das Wetter wird. Kochen wird übrigens mein Lebensgefährte und meine Tochter liest schon selbst. Ne, leicht ist das nicht mit dem Loslassen von Stereotypen. Vor allem, wenn die gesellschaftlich so tief sitzen wie die Wurzeln einer hundertjährigen Eiche (wie komme ich jetzt darauf? Vielleicht wegen der Eichenschrankwand meiner Großeltern damals).

Jede hat es in der Hand – trotz allem, was wir an Stereotypen so mit uns rumschleppen

Aber jede hat es in der Hand, doch, das lass ich mir nicht ausreden. „Ich bin gut genug“ – wenn ich mir das oft genug sage, dann wird es wahrer. Immer ein Stückchen mehr. Wenn ich den Vater meines Kindes auch was machen lasse und damit einfordere, dass der mental load auch bei ihm landet, habe ich mehr Zeit. Von mir aus für Macht. Kompetenz find ich aber viel cooler. Brauchen wir gesellschaftlich gerade nämlich verdammt dringend. Und wer weiß – vielleicht findet’s der Vater ja auch großartig.

Und jetzt: Frohe Ostern. Mit Sonne, nackten Beinen unterm Kleid, von mir aus mit einem Spaziergang unter Eichen. Mit einem Dosenbier am frühen Abend, bevor das Essen fertig ist. Das der oder die gekocht hat, die darauf die meiste Lust hat. Wow, das werden richtig gute Erinnerungen!