Meine Tochter schläft noch, 11 Uhr, Muttertag. Sie ist in der Pubertät, ich am Laptop.
Eigentlich ist der Muttertag ja komplett indiskutabel. Will keiner ansprechen. So ein Ding aus der Nazi-Zeit. Allenfalls historisch zu betrachten, aber da stellt sich die Frage: Warum eigentlich?
Muttertag ist doch nur was für Floristen
Floristen melden am Samstag davor via Facebook: Bitte keine Bestellungen mehr. Danke, aber wir haben schon den letzten Rosenstängel verplant. Meine Mutter war Chefin eines Blumenladens und liebte den Muttertag. Das Geschäft brummte, sie war fix und alle, aber viele andere Mütter happy mit ihren Sträußen auf dem Kaffeetisch.
Und schon bin ich drin in den Erinnerungen. Denn das bedeutet Muttertag für mich auch – zurückzudenken. Zum Beispiel an das, was ich früher im Kindergarten und in der Grundschule für meine Mutter gebastelt habe. Schwarzer Karton, bestickt mit weißem Faden, so was wie eine Sonne, dazu der Text: Alles Liebe zum Muttertag, deine Ute!
Gehetzte Mutter, glückliches Kind
Mütter sollen vieles sein und leider hat sich im stockkonservativen Deutschland das Füllhorn der Erwartungen, das über Müttern ausgegossen wird, in den letzten Jahrzehnten kaum verändert: nach der Geburt? Glücklich sein und daheim. Wer zu früh zurückgeht in den Job, wird gefragt, wie das Kind das aushalten soll. Mütter, die später zu spät das Kind aus der Kita abholen, fühlen sich gehetzt und oft echt beschissen. Obwohl das Kind mega Spaß hatte.
Muttertage, die eine nach Weichspüler duftende Familienheilewelt feiern, sind echt und ohne Zweifel genau das, was wir nicht mehr brauchen. Lasst uns die miefige Idylle endlich den Ausguss herunterspülen! Aber was ich schon cool finde ist, sich an die schönen Momente in der Kindheit zu erinnern. Egal mit wem. Das gemeinsame Derrick gucken im Bett mit meiner Mutter. Das Philosophieren mit meinem Vater. Das im Auto schlafen mit beiden auf dem Weg nach Frankreich, weil der Simca schlapp gemacht hatte. Einfach mal zu feiern, dass man sowas wie eine gute Kindheit hatte. Ne feine Sache, kann man am Muttertag machen, muss man aber nicht.
Immer am falschen Ort
Man kann in alten Fotos kramen, ich habe gerade eins gefunden mit mir und meiner Mutter, ich glaub wir waren in London und ich in der Pubertät. Alles laschte mich an, ich fühlte mich immer am falschen Ort. Eltern halten das aus und ich weiß jetzt, dass das echt hart sein kann.
Meine Tochter schläft immer noch. Sie hat mir ein Bild gemalt, das weiß ich schon. Ich werd’s aufheben, bis ich im Altenheim sitze. Als Erinnerung.