Foto: HS Ansbach

Lisa Renz-Hübner lebt auf dem Land und weiß: Mobilität ohne Auto ist da ein echter Struggle. Aber es gäbe Lösungen - let's go for it!

Ute Möller
11.12.2022
Lesezeit: 4 Min.

„Mobilität funktioniert auf dem Land anders!“

Lisa Renz-Hübner ist mit ihrer Familie im Landkreis Ansbach mit Rad und Öffis mobil. Das kostet Kraft. Und weckt den Mut, Veränderungen einzufordern.

Lisa Renz-Hübner kandidierte 2021 für die Grünen für den Bundestag, jetzt will sie für den Bezirkstag losgehen. Daheim im Landkreis Ansbach kennt sie die Tücken der Mobilität auf dem Land nur zu gut.

Ich durfte Lisa schon in meinem Podcast Be49 begrüßen, da sprachen wir vor allem darüber, welche Rolle es in Politik und Kultur leider immer noch spielt, als Frau an den Start zu gehen. Lisa, die als Ausbilderin für den Bereich Radio beim Institut für Medienpädagogik arbeitet, macht sich stark dafür, dass Frauen in der Musikbranche endlich mehr Einfluss haben. Dass bei Bookings und Festivalplanungen klar ist: Die Hälfte gehört den Frauen! Da ist aber noch viel zu tun. In der Verkehrspolitik auch. Hier kommen Lisas Antworten auf die drei Mobilitätsfragen des Adventskalenders von Flamingo und Dosenbier.

Lisa, wie bist du mobil, was nervt dich unterwegs regelmäßig?

Mein letztes eigenes Auto hat vor vier Jahren den Geist aufgegeben. Natürlich mitten im Winter, nachts um halb eins nach einer Veranstaltung, die ich moderiert habe. Nürnberger Außenbezirk, 70 Kilometer nach Hause. Ging in dem Moment nur gut, weil der unfassbar nette ADAC-Fahrer mich privat nach Hause gefahren hat. Am nächsten Tag 2,5 Stunden und vier verschiedene (öffentliche) Verkehrsmittel, um wieder zum Auto zu kommen. Damit begann die spannende Reise durch das „Aber du arbeitest doch und hast Kinder und lebst auf dem Land, du musst doch ein eigenes Auto haben!“ hin zu möglichst nachhaltiger Mobilität im tiefsten ländlichen Raum.

Der mittelfränkische Landkreis Ansbach ist mit 2000 Quadratkilometern der flächenmäßig größte Landkreis in Bayern. Menschen, die hier gemeinsam im Kreisvorstand einer Partei aktiv sind, wohnen gern mehr als 65 Kilometer auseinander. Ich lebe 14 Kilometer vom nächsten Bahnhof weg, der Bus fährt vier Mal am Tag. Davon zwei Mal lange vor 8 Uhr. Radwege existieren. Immer mal wieder. Zu oft aber auch dutzende Kilometer nicht, dann bleibt die Landstraße neben den Lastern.

Da wir als Familie trotzdem nicht einfach in den Chor „AUF DEM LAND BRAUCHEN WIR ABER JEDER EIN AUTO!1!EINSELF!!“ einstimmen wollen, ist unsere Mobilität ein Mix. E-Bike mit Kinderhänger ist ein wichtiger Teil davon. 35 Minuten bis zum Kindergarten und dann in die Arbeit, Sport für den Tag schon erledigt. Darauf gleich noch ein Stück Schwarzwälderkirschtorte.

Für einen Sonntagsausflug mit Rad und Anhänger unterwegs zu sein, sieht entspannt aus. Wer aber im Alltag als Familie auf dem Land ohne eigenes Auto unterwegs ist, steht in Deutschland vor enormen Herausforderungen. Veränderung geht nur mit dem nötigen politischen Willen. Foto: Unsplash/Mark Stosberg

Und kein Parkplatzsuchen vor dem Kindergarten zur besten Bringzeit, noch ein unschlagbarer Vorteil. Kälte und Nässe lasse ich als Argumente nicht gelten, dafür haben kluge Menschen schon längst fantastisches Equipment erfunden. Aber ob ich das mit 76 noch machen kann? Oder wenn ich körperlich eingeschränkt bin?

Für Fahrten alleine oder mit nur einem Kind haben wir inzwischen einen Elektro-Zweisitzer, der 80 Stundenkilometer fährt und damit landstraßentauglich ist. Danach oft S-Bahn oder Zug in weiter entfernte Orte.

Ganz verzichten können wir auf den Verbrenner wegen des Berufs meines Mannes im Moment nicht: Als Schlagzeuger muss er kubikmeterweise Material transportieren und zu ungewöhnlichen Zeiten auch an entlegene Orte fahren können. Bis dieses Auto zusammenbricht, sind hoffentlich die größenmäßig passenden Elektro-9-Sitzer mit ausreichender Reichweite bezahlbar. Und es gibt dann auch in Immeldorf eine Ladestation.

Wie wünschst du dir Mobilität?

Für den ländlichen Raum ist ein Mix aus verschiedenen Maßnahmen der richtige Weg: Die Busse, die nach den Schulfahrten am frühen Morgen oft fast leer fahren, könnten kleiner werden, dafür aber öfter und vor allem nach Bedarf fahren. Es gibt schon Bürgerinitiativen, die mit elektrischen Kleinbussen und ehrenamtlichen Bedarfsfahrer:innen diesen Weg voranschreiten.

Solche Initiativen sollten unbedingt unterstützt und professionell verstetigt werden, damit sie nicht vom Engagement der Fahrer:innen abhängen.

Mindestens ein Carsharing-Auto und ein Elektro-Lastenrad  in jedem Dorf, ausgebaute Radwege, mehr S-Bahn-Haltestellen: Die Liste an notwendigen Verbesserungsvorschlägen ist lang.

Nicht zu vergessen: Digitale Infrastruktur. In meinem Beruf zum Beispiel wird Glasfaseranschluss im Wohnhaus genauso viel ändern wie eine doppelte Bustaktung.

Nicht zuletzt müssen Radunterstellmöglichkeiten an den diversen Zielen besser werden: Das Fahrrad muss witterungs- und diebstahlgeschützt abgestellt werden können und nicht zu vergessen auch der dazugehörige Lasten- oder Kinderanhänger. Fahrradhängermitnahmemöglichkeit im Zug und jeder S-Bahn wäre ein absoluter Traum.

Was sollte Politik mit Blick auf Mobilität endlich tun?

Von der Politik wünsche ich mir die Anerkennung, dass der ländliche Raum anders funktioniert und andere Bedarfe hat als dichtbesiedelter, kleinräumiger städtischer Raum. Verschiedene Mobilitätsformen müssen finanziell sicher aufgestellt und langfristig etabliert werden. Denn vielleicht funktioniert heute noch nicht für jeden das Leben auf dem Land völlig ohne Verbrenner-Auto, aber es geht schon sehr sehr viel mehr, als derzeit umgesetzt wird. Diese Veränderung verlangt der oder dem Einzelnen Mut und Engagement ab, keine Frage. Sie kann aber mit politischer Unterstützung gelingen. Dafür müssen sich die Menschen hier vor Ort einsetzen, müssen das von den Anbietern und den bereits in Mandaten tätigen Menschen immer und immer wieder einfordern.

Mobilitäts-Adventskalender 2022 von Flamingo und Dosenbier

Nur so eine Idee: Bis Heiligabend öffnen sich noch die Türchen des Mobilitäts-Adventskalender 2022 von Flamingo und Dosenbier. Und bis Heiligabend können wir alle mindestens einen Weg anders zurücklegen, als gewohnt. Zu Fuß, öffentlich, per Rad... Veränderungen beginnt man selbst - ohne die Unterstützung der Politik geht es aber nicht. Die hat die Pflicht, mehr Tempo zu machen bei der Verkehrswende.