Foto: helio Dilolwa/Unsplash

Mit dem Rad unterwegs zu sein muss mehr Spaß machen, nicht nur im Urlaub, fordert Martin Soutschek von der Firma Outdooractive.

Ute Möller
08.12.2023
Lesezeit: 6 Min.

Machen wir endlich sichtbar, was schon geht!

Martin Soutschek von Outdooractive fordert von Politik und Medien: Entwickelt und zeigt Visionen für nachhaltige Mobilität

Und wieder öffnet sich ein Türchen des Adventskalenders von Flamingo und Dosenbier mit einer großen Portion Lust auf Veränderung. Martin Soutschek ist Director of Research Development bei Outdooractive. Das Unternehmen bot 2004 die weltweit erste interaktive Outdoor-Kartenlösung an und baut seither die Digitalisierung des Freizeitsports zu Fuß oder per Rad mit interaktiven Karten und App-Lösungen voran.

Lieber Herr Soutschek, mit welcher Idee möchten Sie ganz persönlich die Welt der Mobilität verändern?

Eigentlich ist die Idee ganz einfach. Einfach machen, weil nachhaltige Mobilität einfach ist. Mit Freude an der Bewegung kann man Mobilität einen zusätzlichen Erlebniswert geben, der über die Überbrückung einer Distanz zwischen Start und Ziel hinausgeht.

Man muss gar nicht so weit gehen, dass immer gleich der Weg das Ziel sein muss, so wie es vielleicht bei einer Wanderung oder Radtour durch die Natur am Wochenende der Fall ist. Der Weg zum Bäcker, der Einkauf im Supermarkt, den Müll zum Wertstoffhof bringen oder die Kinder vom Kindergarten abholen. Für all diese Erledigungen und Notwendigkeiten braucht es in vielen Fällen kein Auto.

Martin Soutschek ist am liebsten zu Fuß oder per Rad unterwegs. Foto: Outdooractive AG

Mit Rucksack zu Fuß oder mit Anhänger und Gepäckträger am Fahrrad ist vieles machbar. Der positive Nebeneffekt ist dabei nicht nur die kostenlose Gesundheitsvorsorge und das Wohlbefinden, das durch die Bewegung entsteht, sondern auch das gute Gefühl, einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Spaßfaktor macht Mobilitätswende möglich

Wenn es gelingt, Technologie und Kreativität zu nutzen, um Mobilitätsinfrastruktur und mobile Fortbewegungsmittel so zu gestalten, dass die „Freude am Fahren” für die Menschen vor allem bei eigener (Mit-)Bewegung entsteht und Mobilität einen Erlebnisfaktor mit emotionalem Mehrwert darstellt, ist eine Mobilitätswende im großen Stil möglich.

Der Schlüssel ist dabei auch der Mindset für nachhaltige Mobilität. Ich persönlich empfinde die „Freude am Fahren“, mit der ein Automobilhersteller aus Bayern seit vielen Jahren wirbt, nur auf dem Fahrrad oder wenn ich die Zeit im Zug oder Bus sinnvoll nutzen kann. Ein Auto durch die Gegend zu lenken ist für mich persönlich in erster Linie eine sehr sinnlose Verschwendung wertvoller Lebenszeit.

Vielleicht ändert sich das in der Zukunft einmal, wenn der Autopilot übernimmt und man ein Buch lesen oder schlafen kann, während man in den Urlaub fährt oder zur Arbeit unterwegs ist. Entscheidend ist, dass es für Menschen so einfach wie nur möglich gemacht werden sollte, Mobilität mit Bewegungsfreude zu erleben.

Bewegung trägt zum Wohlempfinden bei

Die neue Initiative „Joy of Movement Pioneers” (JOMP), die wir mit Outdooractive gemeinsam mit der Innovationsmanufaktur aus München und einigen anderen Partnern ins Leben gebracht haben, kann hier im Bereich Mobilität in der Zukunft wertvolle Impulse für Wirkungskraft geben und wir hoffen auf viel Unterstützung, wenn es darum geht, die Ideen in die Welt zu bringen. Also: Einfach machen.

Was ist Ihre Motivation?

Wir wurden alle als Entdecker geboren. Wir können das bei unseren Kindern beobachten, mit welcher Freude sie neue Dinge entdecken. Wenn eine Entdeckung dann auch noch mit Bewegung verbunden ist, verstärkt sich die Freude nochmals.

Leider verlieren viele Menschen im Laufe Ihres Lebens die Möglichkeiten, sich zu bewegen oder erfahren physische Einschränkungen. Noch mehr Menschen verlieren allerdings die Freude oder das Interesse an der Bewegung oder nehmen sich nicht die Zeit dafür. Meine tiefste Überzeugung ist, dass Bewegung und Bewegungsfreude ganz wesentlich zum Wohlbefinden beitragen. Es muss nicht immer gleich Sport sein. Ein Spaziergang im Wald. Mit dem Fahrrad zum Supermarkt oder eine Runde schwimmen im See kann Wunder bewirken und fühlt sich einfach gut an.

Nicht nur schnell von A nach B

Viele Ideen oder neue Projekte starten bei mir persönlich irgendwo draußen im Kopf und auch manche schlechte Laune verfliegt bei mir nach ein paar Kilometern Ortswechsel mit Muskelkraft. Wenn es im Kopf nicht mehr nur zählt, möglichst schnell vom Start- zum Zielpunkt zu kommen, sondern mit neutraler Klimabilanz und einem überdurchschnittlich hohen Wert auf dem Joy-o-Meter, das zukünftig noch vor der Höchst- und Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Fahrradcomputer oder der App den Freude-Faktor an der Bewegung anzeigt, ist schon viel erreicht.

Mehr Menschen für nachhaltige Mobilität mit Muskelkraft und gemeinsame Bewegungsfreude zu begeistern, ist daher meine große Motivation. Besonders reizt es mich dabei herauszufinden, wie sich Technologie und Kreativität nutzen lassen, um Mobilität als Erlebnis zu gestalten und es den Menschen so einfach wie nur irgendwie möglich zu machen, Bewegungsfreude mit nachhaltiger Mobilität zu erleben. Je einfacher nachhaltige Mobilität wird und je mehr Freude sie macht, desto größer ist der Hebel für Gesundheit, Lebensfreude, Klima und eine ausgeglichene Gesellschaft.

Per Rad in den Sonnenuntergang – das hat mehr Qualität als eine abendliche Autotour. Foto: Unsplash

Welche Unterstützung aus Gesellschaft und Politik wünschen Sie sich?

Es braucht schon viel Leidensfähigkeit und Durchhaltevermögen, um manchmal nicht zu verzweifeln, wenn es heute mit Bahn und Bus durchs Land geht und in mehr als der Hälfte der Fahrten irgendwas nicht klappt mit Anschlüssen, überfüllten Wagons. Ja, es gibt tausend Gründe, warum das nicht klappen wird mit der Mobilitätswende. Aber viel spannender ist es doch darüber nachzudenken, wie es klappen kann und dann die Dinge zu tun, die es möglich machen!

Berichten, was schon geht

Was ich am meisten vermisse und mir daher auch sehr wünsche, sind große Visionen für nachhaltige Mobilität, die verständlich sind und begeistern. Leider helfen die Medien in meiner Wahrnehmung hier noch zu wenig mit, denn man kann sich beim Blick in die täglichen Nachrichten vor populistischem Unsinn wirklich kaum mehr retten. Statt ständig darüber zu berichten, warum wieder irgendwas nicht funktioniert und unser Land den Bach runtergeht, sollte mehr über Ideen und Projekte geschrieben werden, die zeigen, was heute schon geht.

Von der Politik wünsche ich mir daher die Übernahme von mehr Führungsverantwortung für die Mobilitätswende. Wir brauchen Visionen für Veränderungen, die Menschen für die Mobilitätswende begeistern. Vor allem beim Thema nachhaltige Mobilitätsinfrastruktur sehe ich die Politik in der Pflicht. Natürlich lassen sich immer viele Gründe finden, warum etwas nicht geht. Echte Führungsverantwortung beschäftigt sich aber damit, wie man wichtige Veränderungen möglich macht.

Von der Gesellschaft wünsche ich mir von jedem einzelnen Menschen die persönliche Bereitschaft und den Mut für Veränderung, der in der Politik in meiner Wahrnehmung leider zu oft fehlt. Jeder kann Vorreiter und Vorbild für die Mobilitätswende und Verhaltensänderung sein. Es beginnt mit dem Mindset für Mobilität, um etwas Neues auszuprobieren, zu praktizieren, weiterzutragen, weiterzudenken.

Nutzung nachhaltiger Mobilität muss einfach werden

Wenn Mobilitätsinfrastruktur für den Langsamverkehr, also Fuß- und Radwege, nicht nur rein funktionell für den Verkehrsweg, sondern auch mit emotionalem Erlebnisdesign für Bewegungsfreude geplant wird, können wir vielleicht mehr Menschen dafür begeistern, das Auto stehen zu lassen. Die Nutzung nachhaltiger Mobilitätsmittel muss viel einfacher werden und sollte sich allein schon über das Design unseres Lebensraums als gesellschaftlicher Standard für Fortbewegung anbieten.

Es gibt weltweit bereits wunderbare Beispiele von Pionieren, wie das funktionieren kann – lernen wir davon, adaptieren wir die Ideen und denken wir sie gemeinsam weiter.

Wir brauchen günstige „Volksbewegungsfahrzeuge“

Fahrraderlebnisautobahnen und Fußwege mit Bewegungsfreude in Kombination mit E-Bussen und Zügen, die eine einfache und kostenfreie Mitnahme nachhaltiger Mobilitätsfortbewegungsmittel ermöglichen. Eigentlich verrückt, dass es das bei uns noch nicht im großen Stil gibt. Es sollte doch spätestens 2030 klappen, von München in die Berge oder von Frankfurt nach Berlin zu radeln, ohne auch nur einem einzigen Auto auf der Strecke zu begegnen.

Aber auch an die Industrie habe ich noch einen Wunsch. Das enorme Ingenieur- und Design Know-how, das ja vor allem auch in der Automobilbranche in unserem Land vorhanden ist, sollte mehr als ausreichend sein, um zwischen E-Bike und E-Auto, wie wir es heute kennen, noch weitere Innovationen in der Mitte zu konstruieren. Wettergeschützte Fortbewegungsmittel, bei denen man selbst noch mit aktiv ist und auch etwas Gepäck oder Kinder noch unterbekommt. Bezahlbare “Volksbewegungsfahrzeuge” mit Bewegungsfreude inside, mit denen man vor allem im Radius von bis zu 20-30 Kilometern nachhaltig mobil unterwegs sein kann oder sogar in den Roadtrip-Urlaub starten könnte.