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Der Schnee ist da und mit ihm die Freude auf Adventsdeko.

Ute Möller
02.12.2023
Lesezeit: 5 Min.

Künstlich intelligent und was bringt’s?

Der Wochenrückblick von Flamingo und Dosenbier: Zwischen Adventskranz und existentiellen Fragen

FlaDo in Adventsstimmung, kann das gut gehen? Ich habe niemandem versprochen, in der Vorweihnachtszeit permanent besinnlich auf die Weltlage zu schauen, aber ich freue mich über unseren Adventskranz, den ich in einem kleinen Laden zwei Häuser neben unserer Wohnung gekauft habe. Über ein Jahr lang habe ich das Geschäft konsequent ignoriert, weil ich die Fensterdekoration immer leicht gruselig, weil viel zu kitschig, fand. Dahinter arbeitet aber eine wirklich sehr nette Floristin mit Stöcken und Ästen wie frisch aus dem Wald. Eine echte Entdeckung.

Doch bei aller Freude an der Weihnachtsdeko in meiner Wohnung, zu der auch ein Flamingo-Christbaumanhänger gehört, der am Wohnzimmerfenster baumelt (das tut er ehrlicher Weise das ganz Jahr lang) – die Woche hatte aus feministischer Sicht ihre Herausforderungen.

Wer bin ich und bin ich echt oder auch nur KI?

Der Deutsche Frauenrat zieht in der Halbzeit der Ampel-Koalition Bilanz und die ist kein Lob für die Regierungsparteien in Berlin: Viel gewollt und kaum etwas getan, so hart urteilt der Frauenrat. Was nichts kostet, kam voran. Etwa die Abschaffung von Paragraf 219a, der es Ärzt*innen verboten hatte, auf  Abtreibungen hinzuweisen. Aber was ist mit einem reformierten Gleichstellungsgesetz, einer ausreichenden finanziellen Unterstützung für Gewaltschutzorganisationen, mit dem Ausbau der Kita-Plätze? Da sieht’s mau aus.

Mantras feministischer Öffentlichkeitsarbeit

Ich habe mich sehr gefreut, dass die Deutsche Umwelthilfe mit ihrer Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Erfolg hatte. Das Urteil: Die Bundesregierung verstößt gegen das Klimaschutzgesetz und muss gesetzeskonforme Klimaschutz-Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr vorlegen.

Die Deutsche Umwelthilfe fordert Notfallmaßnahmen wie ein sofortiges Tempolimit, den Abbau klimaschädlicher Subventionen und eine Sanierungsoffensive für Schulen und Kindergärten. Wie wäre es mit einer Klage vor dem Gericht in Berlin, weil die Regierung die feministischen Ziele ihres Koalitionsvertrags nicht umsetzt? Kaum erfolgversprechend, aber medienwirksam. Pressemitteilungen und die immer gleichen Mantras feministischer Öffentlichkeitsarbeit dringen schließlich kaum dorthin vor, wo Veränderung verantwortet wird.

Gewalt an Frauen nimmt in Deutschland zu, Hilfseinrichtungen bleiben unterfinanziert – was helfen da die Mantras feministischer Öffentlichkeitsarbeit noch? Foto: Möller

Tatsächlich fühle ich manchmal eine Art Unsichtbarkeitszauber, wenn ich Treffen von Frauennetzwerken besuche. Wer ist dort? Frauen. Was reden wir? Das immer Gleiche. Wir nicken im Takt, wenn eine den Gender-Pay-Gap oder die Care-Lücke geißelt. Was nützt es? Wer weiß das schon, ich sage mal: eher wenig. Solange die Treffen nicht auch von Männern, schwarzen Personen, solchen mit kaum Geld, aber dem berechtigen Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe aufgesucht werden. Wie wir das hinkriegen? Ein Rätsel.

Der Nürnberger Verein erfolgsfaktor FRAU lud in das Museum für Kommunikation in der Lessingstraße. Das Thema: Künstliche Intelligenz. Die wird mit bestehenden Daten gefüttert (mit was sonst) und die sind oft ausgrenzend. Gerechtigkeit ist keine Kategorie, mit der die KI auf die Welt gekommen ist.

Sie frisst, was man ihr als Datensalat reinwürgt, und sie weiß nicht, was sie tut. Dafür sind schließlich wir da. Und, kein Wunder, natürlich wird die KI flugs Teil patriarchaler Strukturen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik.

KI ist nicht gerecht, wir sind es schließlich auch nicht

Frauen werden bei IT-Jobs aussortiert und erhalten seltener Bankkredite, schwarze Menschen bekommen in den USA seltener einen medizinischen Vorsorgecheck ans Herz gelegt. Und so weiter. Das zu ändern ist keine technische, sondern eine gesellschaftliche Challenge. Und ich halte es für naiv anzunehmen, dass wir die Welt gerechter machen werden, wenn wir die künstliche Intelligenz auf Feminismus impfen.

Gerechter, weil diverser und mit zumindest ähnlich guten Chancen für alle, wird die Arbeitswelt werden, wenn noch mehr Fach- und Arbeitskräfte fehlen. Dann kann die KI nicht mehr aussortieren, weil wir alle brauchen, die sich bewerben. Gleichstellung wird zum Abfallprodukt des großen gesellschaftlichen Umbruchs. So manche und mancher in den Personalbüros wird die KI ganz schnell auf stumm schalten. Zum Glück wird die das nicht persönlich nehmen.

Ki-generiertes Foto aus der Ausstellung im Museum für Kommunikation Nürnberg – sehenswert.

Die Ausstellung „New Realities“ im Museum für Kommunikation Nürnberg hat mich beeindruckt, weil sie zeigt: Es kann irre Spaß machen, mit Programmen wie „Midjourney“ Fotos zu erzeugen. Dabei entstehen künstliche Welten in Cinemascope, wir alle können Regisseurinnen surrealer, innerer Welten werden, die Gestalt annehmen und aussehen wie das, was wir für real halten.

KI verrätselt Kategorien wie „echt“ und „wahr“ neu. Ich habe mich bei dem Rundgang durch die Ausstellung mit Museumschefin Dr. Annabelle Hornung aber kurzzeitig dafür entschieden, alle Fragen nach dem Richtig oder Falsch außen vor zu lassen. KI zum Abtauchen und Eintauchen, bonbonfarbene Bilderfluten wie ein visuelles Wohlfühlbad.

Wiedergesehen: Redlipstick-Feministinnen

Feminismus darf auch mal an zweiter Stelle kommen, finde ich. Das sollte ihrer Eitelkeit keinen Abbruch tun. Stichwort Redlipstick-Feministinnen, die mit ihrer Haltung vor allem Geld machen und ihr Ego pflegen. Ein, zwei habe ich auch diese Woche wieder getroffen.

Echten Hochleistungsfeminismus betreiben im Unterschied dazu die Mitarbeiterinnen der Frauenberatung Nürnberg. Die wurde am Freitag 40 Jahre alt und feierte im Sebalder Pfarrhof. Der Glamourfaktor der unentbehrlichen Arbeit für und mit Frauen, die Gewalt erleben mussten, geht gegen Null. Was dahin geht, wo es weh tut, gesellschaftlich und für jede einzelne Betroffene, glitzert eben nicht.

Margit Brendl vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sagte es bei der Feier so: „Gewalt gegen Frauen ist 2022 um über acht Prozent gestiegen, zugleich werden antifeministische Stimmen lauter, Geschlechterdiskurse werden diffamiert. Es bleibt wichtig, dagegenzuhalten.“ Sie fordert, dass die Auszahlung staatlicher Fördermittel nicht länger davon abhängig gemacht werden darf, dass Einrichtungen den Eigenanteil aufbringen können. „Gewaltschutz ist eine staatliche Aufgabe und es muss einen rechtlichen Anspruch darauf geben.“ Absolut richtig und überfällig.

Festakt 40 Jahre Frauenberatung Nürnberg: Es bleibt viel zu tun. Foto: Möller

Ich bedanke mich auch bei Lisa Kräher für ihren Festvortrag. Sie sprach über die Darstellung von Femiziden in den Medien. Lisa Kräher ist selber Journalistin und will mit ihren Kollegen beim Online-Blog Übermedien eine Art Korrektiv sein für nicht gelungenen Journalismus.

Hört auf zu verharmlosen

Medien versuchten zu oft, bei Femiziden (die immer noch zu häufig und immer verharmlosend „Familiendrama“ genannt werden) Verständnis für den Täter zu wecken und den Mord an der Partnerin nachvollziehbar zu machen. Doch Küchenpsychologie verdeckt strukturelle Problematiken. Jeder Täter handelt für sich und als Teil der Gesellschaft.

Das war eine spannende Woche, jetzt freue ich mich darauf, am ersten Advent die erste Kerze anzuzünden und aus dem Fenster den Schneeflocken zuzuschauen. Denn die nächste Woche kommt. Bestimmt.