Foto: Kathrin Koschitzki

Diana Burkel in ihrer Küche: "Bei mir kann jeder Mitarbeiter Ideen entwickeln."

Ute Möller
24.08.2021
Lesezeit: 6 Min.

Glückliche Küchenchefin

Diana Burkel will in ihrem Restaurant Würzhaus ihr Team empathisch führen. Sie weiß aus Erfahrung, wie wichtig Rückhalt ist

Ich habe in Nürnberg rumgefragt. Wen würden mir Bekannte und Ex-Kolleginnen aus der Lokalredaktion vorschlagen als  inspirierende Interviewpartnerin? Oft fiel der Name Diana Burkel. Sie sei eine toughe Frau.

Schnell war klar – an der Küchenchefin des Restaurants Würzhaus im Kirchenweg komme ich nicht vorbei. Auch wenn ich beim Thema Kochen wahrlich keine Expertin bin. Ich stehe zu meiner Lust auf eine gute Currywurst, gern mit Pommes. Esse auch gerne fein, aber selber koche ich selten Aufwändigeres als Eintopf.

Der Besuch am frühen Nachmittag im Würzhaus, dessen mit gestärkten Decken eingedeckte Tische eine exklusive Ruhe vor dem Sturm des Abendgeschäfts verbreiten, wird dann zu einer lebensnahen Lehrstunde. Über den Wert einer liebevollen Erziehung für die Karriere in einer Männerbranche. Über den Glauben an sich selbst und darüber, dass es keinen Sinn macht, nachtragend zu sein.

Mit Zwölf eine ganze Ente gekocht

Als hübsche Anekdote, die veranschaulichen soll, dass für sie schon als Kind der Berufswunsch Köchin feststand, erzählt mir Diana Burkel bei Cappuccino und Wasser diese Geschichte: Als sie zwölf Jahre alt war und ihr Bruder 14, fuhren die Eltern allein in den Urlaub. Die Patentante passte auf sie auf. Um den Eltern bei der Rückkehr etwas Gutes aufzutischen, kaufte Diana eine ganze Ente, Beilagen und alle Zutaten für eine geschmackvolle Sauce. Allein, frei Schnauze –  mit dem Finger am Rezept entlang würde sie auch später nie kochen – zauberte sie ein feines Gericht. „Da wurde meiner Mutter klar: Mit dem Kind ist was besonders.“

Dabei war das Kochen in Burkels großer Familie ziemlich präsent. „Gekocht wurde nicht dekadent, aber opulent.“ Die Omas, die Mutter, die Tanten – sie standen in der Küche, der Vater seltener. „Er kochte aber auch hervorragend, seine Bolognese war spitze.“ Diana lernte von allen: Wenn du was zu bieten hast, kommen alle an den Tisch!

Der Vater hätte sich gewünscht, dass es die Tochter leichter hat im Beruf. „Er stammte aus einer armen Familie und besuchte die Abendschule, um sich hochzuarbeiten“, erzählt die 41-Jährige. Ihre Mutter habe immer hinter ihr gestanden, auch hinter dem Berufswunsch Köchin. „Sie wollte einfach, dass ich glücklich bin.“ Beide waren spätestens in dem Moment auf Diana stolz, als sie an der Berufsschule als Einzige eine Eins im praktischen Bereich bekam.

Es gibt keinen Frauen-Bonus

Sie lernte Köchin im Nürnberger Hotel „Carlton“. Um sie herum lauter Jungs, sie ist die einzige Auszubildende. Im Würzhaus ist sie ebenfalls die einzige Frau in der Küche, sie hat zehn Mitarbeiter, darunter vier Köche. Dass in ihrer Küche keine andere Frau arbeitet, sei nie beabsichtigt gewesen. „In den 15 Jahren, in denen es das Restaurant gibt, haben sich immer wieder auch Frauen beworben, aber es passte nie auf Dauer. Viele Frauen scheinen zu denken, dass ich sie eh lieber einstelle als Männer, und sie sich deshalb nicht richtig anstrengen müssen und es leicht haben.“ Aber einen Frauen-Bonus gibt es bei Diana Burkel nicht.

Sie reagiert grundsätzlich allergisch, wenn sich jemand nicht reinhängt. Ohne Fleiß gehe es nicht. Als sie 2006 mit 26 Jahren als Küchenchefin im Würzhaus startete, arbeitete sie 6,5 Tage die Woche.

Der Küchenchef im „Carlton“ entdeckte ihr Talent und empfahl Diana weiter an die „Alte Post“ in Kraftshof. „Dort rutschte ich nach eineinhalb Jahren Ausbildung schon an den Herd und hab‘ meine Position klar gemacht.“ Ich nehme es Diana Burkel ab, dass sie das schon damals konnte: Präsenz zeigen, Selbstbewusstsein ausstrahlen.

Und das trotz eines „Hochmaßes an Sexismus“. Der sei vor 20 Jahren bei manchen alten Chefs nicht unüblich gewesen. Grabscher, blöde Sprüche – „es war eine harte Schule“. Heute gebe es von diesen Alten nicht mehr so viele. „Es ist auch nicht mehr so einfach: Es arbeiten mehr Mädels in der Küche und stärken sich gegenseitig. Die mediale Aufmerksamkeit ist bei dem Thema Sexismus viel größer geworden und Eltern gehen auf die Barrikaden, wenn ihre Kinder im Ausbildungsbetrieb beschimpft oder belästigt werden.“

Diana trinkt gerne mal ein Dosenbier. Eisgekühlt im Sommer, beim Campen oder einem Festival, sei das klasse! Foto: Moritz Böhm

Ihr hätten Männer jedenfalls nur schlecht die Röte ins Gesicht treiben können. Diana Burkel verbarg auch nie, dass sie Frauen liebt. „Meine sexuelle Orientierung habe ich immer klar gemacht, vielleicht war ich auch deshalb keine Zielscheibe.“

Es folgte eine wichtige Station im „Gasthaus Rottner“ bei Stefan Rottner. Im Sterne-Restaurant „Essigbrätlein“ in Nürnberg lernte sie anschließend bei Andree Köthe und Yves Ollech experimentell zu würzen. Dass sie wenig später ihr Restaurant „Würzhaus“ nennen wird, ist kein Zufall. Das übernimmt sie nach einer Stippvisite in der prämierten Küche des Restaurants „Castell“ in Südtirol.

Freigeist in eigener Sache

Josef Penzenleitner, der Lebensgefährte ihrer Mutter, entdeckte das Restaurant im Kirchenweg, in dem die 26-Jährige von nun an als Küchenchefin Freigeist in eigener Sache war.

Anfangs seien ihr die Schuhe der Küchenchefin viel zu groß gewesen, erzählt Burkel. Vom ersten Tag an sei das Würzhaus für ein halbes Jahr ausgebucht gewesen, ein Jahr lang war sie die einzige Vollzeitköchin. Sie fragte sich, wie lange sie die Arbeitsbelastung aushalten kann.

Hinzu kam, dass sie von Personalführung keine Ahnung hatte. „Ich musste lernen, meine eigenen Ansprüche nicht über die Leistungsfähigkeit des Personals zu stellen.“ Eines sei sie aber nie gewesen: Nachtragend. „Was passiert ist, kann man nicht mehr ändern. Jeder Tag ist eine neue Chance, es besser zu machen. Diese Einstellung habe ich von meiner Mama  gelernt.“

Woher nahm sie das Selbstvertrauen, sich mit 26, als ihr Banken höchstens ein Sparbuch, aber bestimmt keinen Kredit für ein Restaurant gegeben hätten, wie sie selber sagt, als Küchenchefin anzutreten? „Ich wusste, dass ich kochen kann. Alles andere wird schon, habe ich damals gedacht.“ Außerdem sei sie so erzogen worden, an sich zu glauben und selbstbewusst durchs Leben zu gehen. Ihre Eltern hätten ihr immer vermittelt, dass sie gut ist und geliebt wird, wie sie ist. „Das stärkt einen in allen Bereichen des Lebens.“

Kaum Küchenchefinnen

Diana Burkel ist die einzige Küchenchefin in Nürnberg, deren Restaurant das Fachmagazin „Der Feinschmecker“ zu den 500 Besten in Deutschland kürte. Es gibt immer noch viel weniger Küchenchefinnen in Deutschland als Küchenchefs. Und nur 22,5 Prozent der Köche in Ausbildung sind in Bayern laut Hotel- und Gaststättenverband weiblich.

Diana Burkel, die auch im Bayerischen Fernsehen kocht, sieht sich durchaus als Vorbild für junge Kolleginnen. Deren Zahl nimmt aus ihrer Sicht zu. „Viele Küchenchefs haben mittlerweile Frauen in ihrem Team, das ist anders als zur Zeit meiner Ausbildung.“  Mehr Frauen wollen Köchin werden, manche schrecke aber nach wie vor ab, dass das ein echter Knochenjob ist.

Und Familienplanung sei für Küchenchefinnen oder Restaurantleiterinnen nach wie vor eine hohe Hürde. „Die Verantwortung und die langen Arbeitszeiten mit Kind zu stemmen ist möglich, wenn du schon eine Bank bist und dich auf dein Team verlassen kannst. Zu Beginn der Karriere ist das nicht zu schaffen, allerhöchstens im Familienbetrieb mit dem Rückhalt der Verwandtschaft“, glaubt Diana Burkel, die selber noch kein Kind hat. Sie wünscht sich, dass sich das Elterngeld grundsätzlich am besserverdienenden Elternteil orientiert, „dann würden mehr Männer länger zu Hause bleiben“.

Ihr ist es bewusst, dass sie ohne ihr Team nichts wäre. Loben Gäste einen Gang, sage sie gerne, wenn den einer ihrer Mitarbeiter gekocht hat. Die dürfen Ideen entwickeln, lange wird über neue Gerichte gesprochen, zur Probe gekocht wird nie. Speisen sind Kopfsache, Führungsstil auch. „Ich führe mein Team klar, aber empathisch“, sagt sie über sich.

„Ich bin mehr als nur eine Chefin, ich höre zu und bin verständnisvoll.“ Sie interessiere sich dafür, wie es ihren Mitarbeitern geht, „beim Zerreißen von Kartons im Hof sprechen wir schon mal darüber, wie es gerade mit der Freundin läuft“. Die Männer schätzten diesen Führungsstil, „besonders, wenn sie vorher woanders waren und der Ton dort weniger empathisch war“.

„Die Pandemie hat mich verändert“

Die Corona-Pandemie brachte auch Diana Burkel an ihre Grenzen. „Die Zeit hat mich verändert. Ich musste meine Leute motivieren und auffangen. Zugleich habe ich mich im Lockdown unendlich nutzlos gefühlt.“ Keiner habe applaudiert, wenn sie die Spülmaschine daheim ausräumte, soll heißen: Ihr fehlte es, die Zufriedenheit der Gäste zu spüren.

Unsicherheiten? Die kennt auch Diana Burkel. Alle vier Wochen wechselt im Würzhaus das Abendmenü, sie fiebert jedes Mal mit, ob auch alles klappt. Und ja, vor 15 Jahren habe sie sich schon Sorgen darüber gemacht, ob sie als Küchenchefin so gut ist, dass genug Geld reinkommt.

Erfolg sei wichtig, weil er das Geld bringt, von dem sie und ihr Team leben können. Stress könne sie „wegschnaufen“, manchmal bekomme sie aber auch Schuppenflechte. Gut tut ihr das Wohnen auf dem Land. „Ich kann mit dem Kaffeebecher in der Hand im Wald Kräuter sammeln.“ Ihre Frau sage zwar, dass sie da ja schon wieder bei der Arbeit sei, aber die Natur entspanne sie.

„Ich mag mein Leben sehr“

„Insgesamt kann ich sagen: Ich mag mein Leben sehr.“ Und das Würzhaus dürfe sich mit ihr verändern. „Es ist mit mir erwachsen geworden, jetzt muss es mit mir alt werden.“ So viel wie jetzt könne sie mit Anfang 50 jedenfalls nicht mehr arbeiten.

Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Veränderungen Diana Burkel schrecken. Im übrigen sei sie jederzeit bereit, Nachwuchsköchinnen und andere junge Frauen an ihrer Erfahrung teilhaben zu lassen, wenn das gewünscht ist.  Bei der Sustainable-Konferenz des Nürnberg Digital Festivals sprach sie dieses Jahr über das Thema Führungskultur und Nachhaltigkeit. Diana Burkel wäre sicher eine prima Mentorin…

Diana Burkel empfiehlt: Inke Fürbeth

Flamingo Kopf

„Inke hat die Eckbänke hier im Würzhaus bezogen und die Stühle“, erzählt Diana Burkel. Die Möbelmacherin restauriert Design-Klassiker, Sitzmöbel sind ihre Spezialität. 2006 gründete sie und besitzt seitdem die Besitzbar. „Ihre Sitzmöbel sind sehr ästhetisch, aber eben auch gut benutzbar“, findet Burkel. Inke Fürbeths Design ist preisgekrönt. „Sie macht ihr Ding, das finde ich toll.“ Die beiden kennen sich, „weil Inke oft gekellnert hat“, aus der Gastroszene.

Flamingo und Dosenbier hat bei Inke Fürbeth auf dem Anrufbeantworter eine Interviewanfrage hinterlassen, bis 5.September hat sie nämlich noch im Betriebsurlaub.