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Die Koalition will Ärztinnen und Ärzten erlauben, öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitzustellen, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen.

Ute Möller
25.11.2021
Lesezeit: 5 Min.

Koalitionsvertrag: Was steckt drin für die Frauen?

Die Ampelregierung hat auf den Tisch gelegt, welche Ziele sie anpacken will. Mehr Geld für Frauenhäuser, weg mit Paragraf 219a, mehr Lohntransparenz - eine Zusammenfassung.

Knapp einen Monat hat die Ampel verhandelt, jetzt liegt der Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf dem Tisch.

Ich habe rausgesucht, was sich frauenpolitisch verändern soll.

Die wichtigsten Punkte:

Gleichstellung noch in diesem Jahrzehnt.

Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. § 219a StGB wird endlich gestrichen.

Eine Kommission prüft die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches.

Krankenkassen wird ermöglicht, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten.

Künstliche Befruchtung wird diskriminierungsfrei und staattlich finanziert.

Der Bund baut Frauenhäuser aus und beteiligt sich an der Regelfinanzierung.

Lohnlücke schließen und dafür das Entgeltransparenzgesetz ausbauen.

Repärsentanz von Frauen weltweit stärken.

Parität in Bundespolitik und internationalen Gremien.

Der Überblick:

Gleichstellung:

„Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden. Wir werden die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie des Bundes weiterentwickeln, u. a. mit einem Gleichstellungs-Check künftiger Gesetze und Maßnahmen. Wir werden den Gender Data Gap schließen, z. B. im medizinischen Bereich. (…) Wir setzen uns in der EU und international für eine intersektionale Gleichstellungspolitik ein. So kommen wir etwa der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) nach. Dazu gehört auch eine gleichstellungsorientierte Jungen- und Männerpolitik.“

Gewalt gegen Frauen:

„Wir werden eine ressortübergreifende politische Strategie gegen Gewalt entwickeln, die Gewaltprävention und die Rechte der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Die Istanbul-Konvention setzen wir auch im digitalen Raum und mit einer staatlichen Koordinierungsstelle vorbehaltlos und wirksam um. Wir werden das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen. Wir bauen das Hilfesystem entsprechend bedarfsgerecht aus. Der Bund beteiligt sich an der Regelfinanzierung. Dies gilt auch für bedarfsgerechte Unterstützung und Zufluchtsräume für männliche Opfer von Partnerschaftsgewalt. Wir berücksichtigen die Bedarfe vulnerabler Gruppen wie Frauen mit Behinderung oder geflüchteter Frauen sowie queerer Menschen. Präventive Täterarbeit bauen wir aus. Wir wollen ein starkes Bündnis gegen Sexismus. Die gerichtsverwertbare vertrauliche Beweissicherung setzen wir flächendeckend, wohnortnah um.

Wir bekämpfen den Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung mit einem Nationalen Aktionsplan und einer unabhängigen Monitoringstelle zur Umsetzung der Europaratskonvention. Die ILO Konvention Nr. 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ratifizieren
wir.“

Arbeitsmarktpolitik:

„Um Erfolge und Handlungsbedarfe sichtbarer zu machen, erweitern wir die Grundlage der Berichterstattung der jährlichen Informationen der Bundesregierung über die Entwicklung des Frauen- und Männeranteils an Führungsebenen und in Gremien der Privatwirtschaft und des Öffentlichen Dienstes und schärfen bei Bedarf gesetzlich nach.

Wir wollen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen. Deshalb werden wir das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickeln und die Durchsetzung stärken, indem wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, ihre individuellen Rechte durch Verbände im Wege der Prozessstandschaft geltend machen zu lassen.

Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken. Damit die Brückenteilzeit künftig von mehr Beschäftigten in Anspruch genommen werden kann, werden wir die sogenannte „Überforderungsklausel“ entsprechend überarbeiten und gleichzeitig für die Unternehmen übersichtlicher gestalten.

Wir wollen die Familienbesteuerung so weiterentwickeln, dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden. Im Zuge einer verbesserten digitalen Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung werden wir dieKombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen, das dann einfach und unbürokratisch anwendbar ist und mehr Fairness schafft.“

Gesundheitspolitik:

Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist raus: Flamingo und Dosenbier fasst zusammen, was er den Frauen bringt. (Mehr...)
Krankenkassen sollen Verhütungsmittel erstatten können. Foto: Unsplash

„Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen. Wir stellen die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicher. Schwangerschaftskonfliktberatung wird auch künftig online möglich sein. Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB.

Wir wollen Krankenkassen ermöglichen, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden werden die Kosten übernommen. Wir wollen die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anheben.

Wir wollen ungewollt Kinderlose besser unterstützen. Künstliche Befruchtung wird diskriminierungsfrei auch bei heterologer Insemination, unabhängig von medizinischer Indikation, Familienstand und sexueller Identität förderfähig sein. Die Beschränkungen für Alter und Behandlungszyklen werden wir überprüfen. Der Bund übernimmt 25 Prozent der Kosten unabhängig von einer Landesbeteiligung. Sodann planen wir, zu einer vollständigen Übernahme der Kosten zurückzukehren. Die Kosten der Präimplantationsdiagnostik werden übernommen. Wir stellen klar, dass Embryonenspenden im Vorkernstadium legal sind und lassen den „elektiven Single Embryo
Transfer“ zu.

Wir setzen eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ein, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird.“

Detailaspekte zur Frauenpolitik im Koalitionsvertrag:

Der Mindestlohn wird auf 12 Euro angehoben, die Koalition will sich für Entgeltgleichheit von Frauen und Männern einsetzen.

Die Maxime soll eine freie Gesellschaft sein, in der die Gleichstellung von Frauen und Männern verwirklicht ist sowie unterschiedliche Lebensentwürfe und Biografien ihren Platz haben.

Die „Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit“ soll erneut eingesetzt werden. Die Kommission wird sich mit dem Ziel einer paritätischen Repräsentanz von Frauen und Männern im Parlament befassen und die rechtlichen Rahmenbedingungen erörtern.

Frauen sollen im Handwerk gestärkt werden.

Im Rahmen einer neuen  Start-up-Strategie sollen Hürden für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund beim Zugang zu Finanzierungen und Förderungen abgebaut werden. Besserer Zugang zu Wagniskapital für Gründerinnen soll sichergestellt werden. Es sollen mehr Frauen Investment-Komitees von staatlichen Fonds und Beteiligungsgesellschaften sitzen.

Die Bundesregierung will ihre Fachkräftestrategie und die Nationale Weiterbildungsstrategie weiterentwickeln. Wesentliche Bausteine sind: Eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Diesem Ziel sollen Arbeitsmarkt-, Gleichstellungs- und Familienpolitik dienen.

Die umlagefinanzierte Rente soll durch die Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die erwerbsbezogene und qualifizierte
Einwanderung gestärkt werden.

Mütter von kleinen Kindern sollen früher, auch durch Angebote in Teilzeit, besser erreicht werden. Ausgehend von den Erfahrungen der 77 Modellprojekte im Rahmen von „RehaPro“ soll die präventive Gesundheitsförderung in den Jobcentern ausgebaut werden. Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund sollen besonders gefördert werden.

Die paritätische Beteiligung von Frauen in den Führungsgremien der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen sowie ihrer Spitzenverbände auf Bundesebene sowie der
gesetzlichen Krankenkassen soll forciert werden.

Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die Ehe soll nicht ausschlaggebendes Kriterium bei der Adoption minderjähriger Kinder sein.

Bessere Erfassung der politisch motivierten Kriminalität, z. B. in Hinblick auf frauen- und queerfeindliche Hasskriminalität.

Ziel ist die Verringerung der Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern europaweit. Die Koalition unterstützt als eine Maßnahme die EU-Richtlinie für Lohntransparenz.

Gemeinsam mit seinen Partnern will die Koalition „im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern. Wir wollen mehr Frauen in internationale Führungspositionen entsenden, den
Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der VN-Resolution 1325 ambitioniert umsetzen und weiterentwickeln.“