Foto: Andi Honka

Bogi Nagy in ihrem Atelier: Kunst ist eine Lebenseinstellung, Feminismus auch.

Ute Möller
27.02.2022
Lesezeit: 5 Min.

Jeder muss wissen, wer hier die Künstlerin ist

Bogi Nagy malt, gestaltet, kreiert, performt, installiert – mit feministischer Attitüde

Vor dem Interview mit Bogi Nagy war ich nahezu blank. Ich bin gut im Recherchieren, aber was ich über Bogi herausfinden konnte, war mager: sie ist Künstlerin, die in Nürnberg lebt und arbeitet. Studiert hat sie Bildende Kunst und Grafikdesign und natürlich habe ich ihre Bilder im Netz gesehen, ihre Performances und Fotos von ihr selbst. Peng, das wars.

Anlass für das Interview ist übrigens ein Flamingo, der bei ihr im Hinterhof steht und nicht nur unser, sondern auch Bogis Markenzeichen ist. Also mache ich mich auf in die Schlehengasse, um Bogi in ihrem Atelier zu besuchen und hinter die recherchierte Kulisse zu schauen.


Als sie mir die Tür öffnet, ist es so, als würde ich sie schon lang kennen: ihre offene und präsente Art schwappt förmlich auf die Straße. Und wir haben sofort einen Anknüpfungspunkt, nämlich ihre ungarische Herkunft. Das war keine tolle Recherche, sondern eine Vermutung – weil ihr Name „Bogi Nagy“ so typisch klingt und ich eine heimliche Liebe zu Ungarn hege. Vor 20 Jahren habe ich immer mal wieder dort gearbeitet und quasi einen Hauch Ungarisch gelernt – ich erkenne den Sound dieser Sprache sofort. Und auch die typisch ungarische, überbordende Gastfreundschaft springt mir gleich entgegen – den Pálinka schlage ich aber für´s erste aus.

Die Kunst war schon immer da

Meine Aufwärmfrage, wie es ihr geht, beantwortet sie Bogi-typisch – wie ich im Lauf des Interviews herausfinde: „Ich bin auf dem richtigen Weg, ich muss ihn nicht mehr suchen.“ Woher diese Selbstgewissheit – wie ist sie zur Kunst gekommen? Sie sagt, sie hat sich das bei den Großeltern abgeschaut. Beide waren nicht im eigentlichen Sinn Künstler, aber „die Oma hat alles schöner gemacht, sie hat viel kreiert und sie konnte gut verkaufen. Der Opa hat alles selbst gebaut, auch diesen Tisch hier“.

Der Tisch vom Opa, ein Stück voller Erinnerungen. Foto: Andi Honka

Sie sagt, die Kunst war schon immer da und bereits in der Schule hat sie damit Preise und Aufmerksamkeit gewonnen. Dann hat sie aber zunächst einen „sicheren“ Beruf ergriffen. Der Preis der vermeintlichen Sicherheit aber war, dass sie unglücklich damit war und mit keiner Faser ein Gefühl von Erfüllung hatte. Aber immerhin war diese Zeit der Katalysator für die Künstlerin Bogi Nagy, die für sich erkannt hat: immer wieder dasselbe zu tun, in einem Korsett aus Zeit und Erwartungen zu stecken, das kann sie nicht. Die Monotonie war einfach nicht auszuhalten. Bogi formuliert es so „Ich wollte raus aus diesem vorgefertigten Leben“. Es war wohl ein langer Prozess, von dieser Normalität wegzukommen.

Irgendwann hat Bogi dann beschlossen, das zu tun, was sie schon immer wollte: Ihre Kunst der Öffentlichkeit präsentieren. Sie hat sich bei einer Kunstmesse beworben, dort ihre Werke ausgestellt und wurde gleich vom Fernsehen interviewt. Von diesem Moment an wusste sie – „das ist richtig was ich mache“. Denn, so sagt sie, zu Hause Bilder zu malen – das ist die eine Sache; damit rauszugehen und sich zu zeigen, das ist was völlig anderes. Auf einmal bist du der Meinung und der Kritik aller Menschen ausgesetzt; und bei Bogi Nagy geht es dann nicht nur um die Werke, sondern auch um sie selbst. Denn sie malt, erschafft Skulpturen, gestaltet grafische Werke und entwickelt Installationen – aber bei all dem ist sie immer auch Teil der Inszenierung.

Zurückhaltung ist nicht ihr Ding

Ich kenne einige Künstler und Designer, die als Personen eher hinter ihrem Werk zurücktreten. Das ist bei Bogi Nagy völlig anders: Auch im Interview  sieht sie aus, als könnte sie gleich eine Bühne betreten, mit diesem langen Zopf am Oberkopf und einer Jacke, die aus dem Fundus des Opernhauses stammen könnte. Übersehen kann man sie jedenfalls nicht, genau so wie ihre Bilder und Skulpturen, die sie bevorzugt mitten in der Nacht erschafft: Bunt, plakativ, präsent, üppig.

Studiert hat sie übrigens erst nach ihrem „Coming Out“ als Künstlerin. Auch das ist wohl typisch für sie und macht Bogis Faszination aus: Sie macht, was sie will und braucht niemanden, der ihr das attestiert oder erlaubt.

Im Lauf des Interviews komme ich mehrmals an den Punkt, dass einige Dinge unbeantwortet bleiben:  ich erfahre weder, wie alt sie ist, was sie vor der Kunst gemacht oder gelernt hat – oder was ihre Eltern dazu sagen. Und dann schält sich irgendwann die eigentliche Botschaft heraus: Sie definiert sich nicht darüber ob sie verheiratet ist, Kinder hat oder möchte – oder wie man ein Frauenleben sonst noch ans Karopapier der bürgerlichen Ordnung anlegen kann.

Feministische Attitüde

Gelebter Feminismus ist das – aber nicht so laut, wie Bogi selbst sagt. Als ich sie explizit nach dem feministischen Aspekt frage, sagt sie: „Wenn es Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichheit wirklich gäbe, würde Feminismus nicht existieren. Genau aus diesem Grund unterstreichen meine Kunstwerke immer wieder die feministische Attitüde.“ Word!


Sie ist, wer sie ist durch das, was sie mit ihrer Kunst ausdrückt. Bogi formuliert es so: „Ich drücke mich mit Kunst besser aus als mit Worten. Kunst zu schaffen ist für mich die totale Erfüllung.“

Was treibt sie an? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Mut und Wut! Ich habe so viel Energie und ich brauche Herausforderungen und Unstimmigkeiten, die treiben mich an“.

Mut und Wut als Treibstoff


Ist da auch Wut, dass die Kunstszene immer noch männlich dominiert ist? Ja, das ist ein Fakt, meint Bogi. Und etwas verhaltener kommt dann, dass sie sich jedesmal freut, wenn sie eine andere Künstlerin trifft. Frauen halten super zusammen in der Kunst, erfahre ich. Sie werden stärker, sprechen es aber nicht aus – sondern sie machen einfach ihr Ding und unterstützen sich gegenseitig, so Bogis Wahrnehmung. Davon kann die freie Wirtschaft auf jeden Fall lernen. Wobei Bogi betont, dass sie nicht auf Freundschaften mit Frauen fixiert ist – eher auf die Gattung der Künstler:innen. Also egal ob es um Musiker:innen, bildende Künstler:innen oder Autor:innen geht.

Was sie mit ihrer Kunst ausdrückt, will ich wissen. Bogi schafft nicht nur ästhetische Kunst, sondern sie will auch eine Botschaft rüberbringen. Die Botschaften sind versteckt, jede kann einen anderen Menschen ansprechen. Bogis Elixier ist das Sich-Neu-Erfinden, sie legt die Latte selbst immer wieder höher, sie will nicht immer dasselbe machen.

Zur Sache, Flamingo!

Immer nur Bilder zu malen oder einen Stil zu verfolgen, das würde sie langweilen. Ihr nächstes Projekt ist eine Tonne Lehm, aus der sie Würfel formt und als live-Performance mit musikalischer Untermalung bearbeitet und teilweise zerstört. „Wer macht sowas schon?“ lacht sie und freut sich offensichtlich auf etwas, das vielen anderen Menschen Angst macht: auf das Unerwartete und Neue.

Zum Schluss kommt endlich noch der Flamingo zur Sprache – der eigentliche Grund meines Besuchs in ihrem Atelier. Bogis Flamingo steht im Hinterhof, eine kleine Skulptur, ausnahmsweise nicht von ihr. Sie sagt „Ich liebe Flamingos. Als Kind habe ich mal eine Doku gesehen über Flamingos. Und sie haben nicht nur diese tolle Farbe, die von den Krebsen kommt, die sie essen – sie haben sogar einen eigenen Tanzstil.“


Nach über zwei Stunden in ihrem Atelier weiß ich jetzt: Streng genommen „macht“ sie keine Kunst – sie selbst ist die Kunst. Eine Frau, die man nicht ignorieren kann – davon abgesehen, dass man das auch gar nicht will. Wenn Bogi eine Ausstellung eröffnet, dann muss eben jeder wissen, wer die Künstlerin hier ist. Keine Frage, das ist nicht zu übersehen.

Hier ist mehr von Bogi Nagy zu sehen

Wer Bogis Kunst selbst erleben möchte, kann sich hier umsehen: Am Freitag, 11.März 2022, findet eine Vernissage mit ihren Werken statt in: Rote Galerie, Kobergerstraße 57, 90408 Nürnberg. Finissage ist am Freitag, 8.April 2022. Bogy Nagy Galerie & Atelier: Schlehengasse 15, 90402 Nürnberg Termin auf Anfrage: hello@boginagy.com www.instagram.com/boginagysworld www.youtube.com/boginagy www.facebook.com/boginagysworld

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