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Aura e.V. steht finanziell auf der Kippe. Katha Schulz (vorne) fordert für den Verein endlich eine angemessen städtische Förderung.

Ute Möller
19.09.2024
Lesezeit: 3 Min.

Istanbul Konventionen umsetzen – das geht nicht für lau

Der Nürnberger Stadtrat hat einem Gleichstellungsaktionsplan zugestimmt. Doch die Finanzierung wackelt.

Die gute Nachricht vorweg: Der Nürnberger Stadtrat hat einem neuen Gleichstellungsaktionsplan zugestimmt. Das Ziel: Nürnberg setzt die Istanbul Konvention um. Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ trat in Deutschland 2018 als Bundesgesetz in Kraft. Gewaltschutz, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit sind ohne die Kommunen nicht zu machen. Städte wie München, Leipzig und Darmstadt setzen die Istanbul Konvention bereits um, Nürnberg will jetzt starten.

Doch dafür – und das ist der natürlich nicht überraschende Haken an der Sache- braucht es Geld. Viel ist es nicht, was die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Nürnberg, Hedwig Schouten, fordert. Denn die meisten der 218 Maßnahmen des Aktionsplans, von denen sich 92 auf die Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt beziehen, sollen aus städtischen Bordmitteln gestemmt werden. Doch einige wenige öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, an denen mehrere Geschäftsbereiche und Referate der Stadt beteiligt sind, können laut Hedwig Schouten nicht aus dem regulären Budget der Gleichstellungsstelle finanziert werden. Es fehlen 30 000 Euro.

Bescheidene Gleichstellungsstelle

Bisher nicht finanziert sind zum Beispiel eine Kampagne, die Mädchen und Frauen über K.O.-Tropfen aufklären soll, sowie Selbstverteidungsworkshops für Jungen und Mädchen in städtischen Jugendeinrichtungen. 30 000 Euro sind keine riesige Summe. Die Gleichstellungsstelle gibt sich bescheiden und geht davon aus, dass die Schulungen von Mitarbeitenden in Schulen und sozialen Einrichtungen, Ausstellungen zu sexualisierter Gewalt, die Stärkung von bestehenden Hilfesystemen, Empowerment für Kinder, Jugendliche und Senioren und Awarenesskonzepte für Veranstaltungen ohne zusätzliche Mittel zu haben sind. Die Vorbereitung des Gleichstellungsaktionsplans, die sich über drei Jahre hinzog, übernahm vor allem Michelle Fowinkel für die Gleichstellungsstelle. Andere Aufgaben blieben dafür liegen.

Dass auch das Hilfesystem bereits jetzt unter Überforderung leidet und viele Vereine aus der Frauenarbeit schon lange wegen fehlender Ressourcen nahe der Selbstausbeutung arbeiten, lässt nichts Gutes erwarten. Der Verein Aura, der seit 37 Jahren in Nürnberg Gewaltpräventionskurse für Mädchen und Frauen anbietet, demonstrierte vor der Stadtratssitzung vor dem Rathaus. „Bei uns geht es um die Existenz“, sagte Vereinsgründerin Meno Metz. 2024 sei finanziell das schlimmste Jahr gewesen, auch weil der ständige Geldmangel immer schwerer zu verwalten und auszuhalten sei. Statt der benötigten145 000 Euro an Fördermitteln bewilligte die Stadt nur 80 600 Euro. Meno Metz und ihre Kollegin Katha Schulz arbeiten zusammen gerade mal 60 Wochenstunden, dem steht ein wachsender Bedarf an Workshops gegenüber und 950 Mädchen und Frauen, die jedes Jahr an Kursen teilnehmen.

Aktionsplan könnte an Finanzierung scheitern

„Der Aktionsplan ist absolut sinnvoll, er ist breit gedacht und bezieht Prävention und die Gleichstellung der Geschlechter mit ein. Wir von Aura wollen ihn unbedingt umgesetzt wissen“, sagte Katha Schulz. Doch sie sieht einen großen Widerspruch: „Wir rechnen damit, dass wir noch mehr Anfragen für Workshops bekommen, wenn der Gleichstellungsaktionsplan anläuft, aber wir können ja schon jetzt die Nachfrage nicht bedienen.“ Hinzu kommt, dass Meno Metz in zwei Jahren in Rente geht und jetzt der Generationenwechsel vorbereitet werden müsste. „Das kann ich aber nicht alleine machen, dafür brauchen wir mehr Personal“, so Schulz. „Wir müssten endlich mal die 145 000 Euro an Fördermitteln bekommen, die wir seit Jahren erfolgslos bei der Stadt beantragen.“

Es sei für sie ein Widerspruch, wenn die Stadt einen Gleichstellungsaktionsplan beschließt und zugleich ein Verein wie Aura kurz vor dem Aus steht. Bisher bekomme sie von der Stadt aber nur das Signal, dass kein Geld da sei. Katha Schulz hofft, dass sich die Prioritäten in der Kommune noch so verändern, dass die Anliegen von Frauen und Mädchen gehört werden. „Dazu gehören geschlechtsspezifische Gewalt, der Aktionsplan und die Einrichtungen, die dafür arbeiten, dass er am umgesetzt werden kann.“

Jetzt muss die Politik Wort halten

Zu der Kundgebung von Aura e.V. vor dem Rathaus kamen viele Vertreterinnen von Einrichtungen der Frauenarbeit, von Vereinen und sozialen Trägern. Politiker*innen machten sich rar. In der Sitzung des Stadtrats stimmten sie dann parteiübergreifend Hedwig Schouten zu, als sie dazu aufrief, Aura und andere Vereine endlich so zu finanzieren, dass sie gut arbeiten können. Bei den Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob die Politik Wort hält. Die Vertreter*innen der Fraueneinrichtungen, die der Debatte des Stadtrats von der Zuschauertribüne aus folgten, werden jedenfalls genau hinsehen.