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Annemarie Endner wirbt in fränkischen Gemeinden dafür, in Ladeinfrastruktur für Elektroautos zu investieren. Privat fährt sie einen kleinen Stromer.

Ute Möller
16.10.2022
Lesezeit: 7 Min.

„In jedem Ort sollte man E-Autos laden können“

Bis 2030 hätte die Bundesregierung gerne 15 Millionen Elektroautos auf den Straßen. Das geht nicht ohne einen massiven Ausbau der Ladestationen. Eine Millionen Ladepunkte für Stromer müssten es in acht Jahren idealerweise sein, im Juli 2022 zählte Statista aber gerade mal 63 570 Ladepunkte. Davon stehen im Vergleich der Bundesländer die meisten in Bayern, nämlich 12 676.

Schon in drei Jahren soll es laut Prognosen einen Bedarf für 250 000 Ladepunkte geben – ein großer Markt, der jetzt verteilt werden will. Wobei es nicht nur um Quantität geht, sondern auch darum, wie wir verkehrspolitisch den Ausbau der Ladeinfrastruktur steuern. Wollen wir, dass E-Autos in den Ortszentren ihre Akkus laden oder eher am Rand, um in den Innenstädten mehr Platz für Fußgänger, Radfahrer und grüne Plätze zu bekommen?

Ich rufe Annemarie Endner in ihrem Büro in Nürnberg-Sandreuth an. Sie berät für die N-Ergie Aktiengesellschaft Kommunen in den Landkreisen Fürth und Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, die Ladesäulen installieren möchten oder noch überlegen, ob das für sie Sinn macht.

Liebe Frau Endner, wie sind Sie selber am liebsten mobil?

Annemarie Endner: Ich habe mit meinem Mann einen Verbrenner, der ist etwa so groß wie ein VW-Bus und wir nutzen ihn vor allem für Familienausflüge mit unseren zwei kleinen Kindern. Ansonsten fahre ich einen kleinen Stromer und bin mit dem echt gerne unterwegs. Ich mag das Beschleunigen und zugleich fährt man mit einem E-Auto defensiver. Denn wenn der Akku nur noch zu 20 Prozent geladen ist, überlege ich es mir, ob ich den Laster auf der Autobahn noch überhole oder ob ich mit 160 Stundenkilometern an den anderen vorbeiziehe.

Die Themen Reichweite und schnelles Laden sind vielen wichtig, die überlegen, sich ein Elektroauto zu kaufen. Wie war das bei Ihnen?

Ich sage mal so: Wer gerne plant, hat auf jeden Fall sein Vergnügen mit einem E-Auto. Meines hat eine Reichweite von 400 Kilometern und die muss man erst mal fahren. Ich wohne in Weißenburg und pendle zur Arbeit nach Nürnberg, laden kann ich auch am Standort der N-Ergie hier in Sandreuth. Es reicht in der Regel, wenn ich mein Auto zwei Mal in der Woche an den Strom hänge. Ich bin aber auch gerne mit der Bahn unterwegs. Elektrisch und öffentlich zu fahren ist einfach gut fürs Gewissen.

Immer mehr Arbeitgeber ermöglichen es Mitarbeitenden, auf dem Parkplatz der Firma zu laden. Auch Supermärkte richten Ladepunkte ein und hoffen, dass die Besitzer der E-Autos bei ihnen einkaufen, während der Akku Strom bekommt. Wie groß ist die Bereitschaft der Kommunen, in Ladeinfrastruktur zu investieren?

Meine vier Kollegen und ich sind für die Kommunen in unserem Versorgungsgebiet – also grob vom Würzburger Umland im Norden bis Eichstätt im Süden, sowie von Weikersheim im Westen bis nach Sulzbach-Rosenberg im Osten – so etwas wie ein erster E-Mobilitäts-Schlüssel. Wir sperren die Tür zum Thema E-Mobilität auf und sprechen als Erste mit den Kommunen. Dort gibt es bei einigen den Wunsch, Ladesäulen zu bauen. Andere tun sich mit dem Thema aber auch noch schwer und die Gemeinderäte sind erst mal vorsichtig.

Woran liegt das?

Von manchen höre ich, dass ihr Ort so klein sei, dass gerade mal morgens und abends ein Bus fährt, da lohnten sich Ladesäulen doch gar nicht. Und im Nachbarort gebe es außerdem ja schon zwei davon. Wieder andere sehen keinen Bedarf, weil es in ihrem Ort viele größere Höfe und Anwesen gibt, die über Photovoltaik-Anlagen ihren eigenen Strom erzeugen und über private Wallboxen die Batterien ihrer Autos damit laden. Da brauche es auch keine öffentlichen Ladesäulen.

Was sagen Sie denen?

Es kann doch für einen Ort eine Chance sein, wenn Leute nicht einfach durchfahren, sondern sich aufhalten, weil sie ihr E-Auto an die Ladesäule hängen und in der Zeit im Wirtshaus essen oder die Kirche anschauen. Die Entscheidung der Automobilbranche, keine Verbrenner mehr zu bauen, überzeugt aber auch einige Kommunen. Und wenn die dann noch ein Baugebiet neu ausweisen, stellt sich spätestens bei Mehrparteienhäusern die Frage, wie die Bewohner mal ihre E-Autos aufladen und was es dafür an Infrastruktur braucht.

Der Ladeverbund+ funktioniert im Groben so, dass Städte und Kommunen für Ladesäulen Grundstücke zur Verfügung stellen. Dann zahlen sie einen Pauschalbetrag, dafür stellt der Energieversorger Ladesäulen auf, sorgt für den Anschluss an das Stromnetz und managed den Betrieb. Der Ladeverbund+ kümmert sich auch um Fördermittel von Land und Bund. Wie viele Ladesäulen betreibt die N-Ergie aktuell?

In Nürnberg haben wir 129 und in der Region 272 Ladesäulen. Bis 2026 möchten wir 1000 Stück installieren. Insgesamt bietet der Ladeverbund+, zu dem neben der N-Ergie 66 weitere Stadtwerke gehören, derzeit 850 Ladesäulen im fränkischen Raum an.

Die meisten Ladepunkte haben eine Ladeleistung von 22 kW. Je nach Größe des Akkus dauert es zwischen 90 Minuten und vier Stunden, bis er komplett geladen ist. Die Bundesregierung möchte die Zahl der Schnellader erhöhen – Deutschland hat im internationalen Vergleich nur wenig Schnellcharger mit einer Leistung von 50 bis zu 350 Kilowattstunden. Die Bundesnetzagentur meldete im Mai 2022 insgesamt jedoch 51 262 Normalladepunkte und nur 9102 Schnellladepunkte. Ist das schnelle Laden für die N-Ergie ein wichtiges Thema?

In den Städten ist das Laden mit 22 kW und auch mit 11 kW am meisten verbreitet. In Nürnberg haben wir am Standort der N-Ergie in Sandreuth einen Schnelllader, der gut genutzt wird. Einen zweiten gibt es an einem Einkaufszentrum unweit des Frankenschnellwegs. Schnelles Laden sollte dort möglich sein, wo es wirklich nötig ist. Also unweit von Bundesstraßen, weil es da praktisch ist zu laden, wenn ich weitere Strecken fahre. Oder auch an Knotenpunkten im Stadtgebiet. Am Ring in Nürnberg oder am Plärrer wäre eine Schnelladestation sinnvoll. Andererseits kann es für ein Einkaufszentrum ein Feature sein, wenn die Kundinnen und Kunden dort eine Stunde einkaufen und zugleich den Akku ihres E-Autos voll laden können.

Zwei Schnelllader in Nürnberg – das ist nicht viel.

Wir wünschten uns auch, dass es mehr werden. Aber noch ist die Nachfrage in gewerblichen Betrieben gering und auch Betreiber von Parkplätzen mit Ladeinfrastruktur möchten eher, dass sich die Leute länger aufhalten. Schnelllader sind ja auch teurer – in der Anschaffung und auch für diejenigen, die ihr E-Auto laden. Das spielt sicher auch eine Rolle. Im Ladeverbund+ finden gerade Gespräche mit verschiedenen Stadt- und Gemeindewerken statt, wie wir Quickcharger am besten in unser Angebot integrieren.

Auf der anderen Seite gibt es die Idee, E-Autos besonders langsam zu laden, um Energiespitzen zu nutzen. Das ginge zum Beispiel mit Ladepunkten an Straßenlaternen, skandinavische Länder machen das vor. Und in Berlin werden nach und nach 1000 Laternen zu Ladesäulen. Eine Shell-Tochter baut dort mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz Laternen zu Ladepunkten mit einer Leistung von 3,7 kW um. Planen Sie im Verbund Ähnliches?

Schnelladen ist für die Bundespolitik ein wichtiges Feature. Es kann ökologisch aber auch sehr sinnvoll, sein, möglichst langsam den Stromer zu betanken. Waldemar Brandt/Unsplash

Es kann natürlich sinnvoll sein, die Batterien dann zu laden, wenn gerade viel Strom durch das Netz fließt, weil zum Beispiel tagsüber viel Sonnenergie verfügbar ist, und diese Zeiten abzuwarten. Dadurch wird der Ladevorgang aber auch viel länger. Gegen das Laden an Straßenlaternen spricht, dass viele Kommunen in unserem Netzgebiet nachts die Laternen abschalten, da wäre dann gar kein Laden möglich. Außerdem braucht man für umweltschonende LED-Leuchten in den Laternen keine hohen elektrischen Leistungen, so dass diese nicht einfach mit einem Ladestecker ausgestattet werden können.

Wenn man in den Innenstädten viele Ladepunkte einrichtet, hält man damit auch die Autos in den Zentren. Um den Stadtraum gleichberechtigter als bisher an alle Nutzenden zu verteilen und mehr Platz für Rad- und Fußverkehr zu schaffen, könnte man Ladepunkte in Parkhäusern an den Stadträndern einrichten. Spielen solche Gedanken für die N-Ergie eine Rolle?

Der größte Teil der Ladeinfrastruktur spielt sich im öffentlichen Raum und auf Park und Ride-Parkplätzen ab. Wir haben da beispielsweise in Nürnberg die P&R-Parkplätze Am Wegfeld/Johann-Sperl-Straße, Langwasser und im Parkplatz Herrnhütte mit Ladestationen ausgestattet. Die N-Ergie hat aber 2021 auch ein neues Parkhaus in Sandreuth eröffnet mit 338 Stellplätzen und 128 Ladepunkten für E-Autos, um die Parksituation in der Innenstadt etwas zu entzerren. Ich würde mich freuen, wenn mehr Menschen ins Zentrum mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren oder mit dem Rad. Direkt an unserem Parkhaus gibt es auch eine VAG-Rad Verleihstation und 20 Ladepunkte für E-Bikes und fünf für E-Scooter.

Planen Sie ein weiteres dezentrales Parkhaus mit Ladestationen?

Wir denken weiter in diese Richtung. Im Zusammenhang mit der Sanierung des Nürnberger Volksbads am Plärrer könnte es sinnvoll sein, das geplante Parkhaus mit Ladepunkten auszustatten.

Wie wünschen Sie sich die Mobilität in einigen Jahren? Wie sollten sich die Städte verändern?

Ich würde mir wünschen, dass es in jedem Ort Lademöglichkeiten für E-Autos gibt. Zugleich sollte sich jeder fragen, ob er wirklich ein Auto braucht. Auf den P+R-Parkplätzen stehen den ganzen Tag ungenutzt viele Pkw herum, da kann es doch Sinn ergeben, wenn jemand anderes meinen nutzen kann, bis ich abends wieder nach Hause fahre. Wo Parkraum rar ist, stellt sich schon die Frage, ob jeder ein Auto besitzen muss oder ob Teilen nicht eine gute Alternative ist. In Deutschland ist das vielleicht schwieriger, weil das Auto so ein Statussymbol ist. Davon sollten wir uns verabschieden und es einfach als Transportmittel betrachten.

Annemarie Endner

Annemarie Endner (39) kam zum Thema E-Mobilität über Umwege. Zunächst studierte sie Geografie und sah sich beruflich im Bereich der Unternehmenskommunikation. Als Volontärin begleitete sie dann 2008 bei der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft in Nürnberg die Einführung der fahrerlosen U-Bahn und betreute die internationale Presse mit. Bei der N-Ergie Aktiengesellschaft arbeitete sie anschließend in der Pressestelle, war Teil der ersten Arbeitsgruppe zum Thema Elektromobilität und entdeckte ihre Leidenschaft für den technologischen Wandel. Seit 2020 arbeitet sie jetzt als Kommunalbetreuerin für die N-Ergie Netz GmbH und reist durch fränkische Kommunen, damit sich möglichst viele Verwaltungen dafür entscheiden, in neue Ladesäulen für Elektroautos zu investieren.