Es fühlt sich an wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, dass am Freitag, 8. Dezember 2023, zum letzten Mal in diesem Jahr noch ein „Speed-Dating mit Flamingo und Dosenbier“ im Nürnberger Staatstheater stattfindet. Ich diskutiere mit meinen wunderbaren Gästen ab 22 Uhr in der Dritten Etage über Gleichstellung. Im Anschluss daran haben wieder alle Besucher*innen die Möglichkeit, sich mit meinen Podiumsgästen persönlich auszutauschen.
Eine der tollen Frauen auf dem Podium ist Dr. Judith Wunschik. Die Erlangerin ist Physikerin und Expertin für Cybersicherheit. Sie verantwortete die IT-Sicherheit bei einer großen Bank, bevor sie zu Siemens Energy wechselte und sich dort um Cyber-Sicherheit in der Energiewirtschaft kümmert. Außerdem setzt sie sich als Diversity, Equity & Inclusion Advisor für mehr Diversität und Gleichstellung ein. Und sie ist Mentorin und Mitglied bei FidAR, Frauen in die Aufsichtsräte.
Ich habe Judith Wunschik gebeten, mir vor dem Speed-Dating ein paar Fragen schriftlich zu beantworten.
Frau Dr. Wunschik, Sie sind promovierte Physikerin, Spezialistin für IT-Sicherheit – in Deutschland sind das nach wie vor sehr männlich dominierte Bereiche. Was auch daran liegt, dass Mädchen heute noch in der Schule von Lehrkräften hören: „In Physik musst Du als Mädchen doch gar nicht gut sein“. Welche Rolle hat es bei Ihren persönlichen beruflichen Entscheidungen gespielt, dass Sie vor allem von Männern umgeben waren? Welche Strategien haben Sie entwickelt, um sichtbar und erfolgreich zu sein?
Für meine Karriere war es ganz entscheidend, dass ich mich 1989 für das Studienfach Physik entschieden habe. Damals lag der Frauenanteil im Diplomstudiengang bei gerade mal drei Prozent. Nach der Promotion strebte ich eine Managementkarriere im IT-Bereich an – und da waren und sind in den Führungsetagen meist auch nur Männer sichtbar. Meine Strategien, mich in dem männlich dominierten Umfeld durchzusetzen, haben sich mit den Jahren verändert. Zu Beginn wollte ich mich möglichst angepasst und leistungsfähig zeigen. Dann ging ich immer mehr dazu über, sehr individuell aufzutreten und das mit sehr klarem Verhalten zu kombinieren. Ich setzte beispielsweise bewusst meine Stimme und raumfordernde Bewegungen ein. Außerdem pflege ich intensiv fachliche Netzwerke. Dass die wiederum oft männerdominiert sind, gehört in meiner Branche dazu.
Mentoring, Programme für Frauenförderung – Unternehmen setzen seit geraumer Zeit auf ein festes Set an Tools, um sich diverser aufzustellen. Wie wirksam sind diese aus Ihrer Sicht bisher? Was muss anders gemacht werden, damit wir tatsächlich diverser werden und mehr Frauen in Unternehmen mitentscheiden?
„Women are overmentored and undersponsored“: Meine Erfahrung im Mentoring männlicher Kollegen ist meist, dass hier ein „fix the women“ versucht wird. Frauen sollen sich den männlich geprägten Strukturen anpassen. Wir müssen aber zu einem „fix the system“ kommen. Und zwar über konsequente Zielvorgaben für Führungskräfte und Personalprozesse, zum Beispiel durch gemischte Interviewpanels für Führungskräftestellen und Jahresziele zu „Diversity, Equity and Inclusion“ für das Top-Management. Besonders im mittleren Management ist die gläserne Decke weitherhin sehr stark – hier muss speziell auch die Zielerreichung durch das Topmanagement beobachtet werden.
Sie arbeiten auch als Mentorin – welche Fragen stellen Ihnen Ihre Klientinnen besonders häufig? Wie hat sich die Einstellung junger Frauen in den letzten drei Jahrzehnten mit Blick auf Gleichstellung und Karrierechancen verändert?
Häufige sind Fragen tatsächlich auf die besten Verhaltensweisen in Meetings ausgerichtet: „Wie kann ich gehört werden?“, „Darf ich mit männlichen Kollegen aktiv netzwerken?“, oder „Wie gehe ich mit toxischen Chefs um?“ Die Einstellung hat sich in den letzten Jahren verändert: Es geht nicht mehr darum, ob wir es können. Es wird aktiv über nächste Schritte und eigene Ziele gesprochen. Leider wird die „Quotenfrage“ in den unterschiedlichen Altersgruppen noch genauso wie vor 30 Jahren beantwortet, nämlich eher ablehnend