Foto: privat

Ich war wohl acht Jahre alt, als ich vor dem grünen Simca meiner Eltern fotografiert wurde. Ich mochte die Familienkutsche, Mobilität hat ja viel mit Emotionen zu tun. Was Veränderung nicht gerade leichter macht.

Ute Möller
01.12.2022
Lesezeit: 4 Min.

Ich liebte unseren grünen Simca

Im Adventskalender 2022 von Flamingo und Dosenbier erzählen spannende Menschen, wie sie sich die Verkehrswende wünschen. Hinter den Türchen finden sich 24 inspirierende Ideen für eine neue Mobilität

Auf dem Foto stehe ich vor dem dunkelgrünen Simca meiner Eltern, das muss so um 1978 gewesen sein. Ich hatte einen pflegeleichten Rundhaarschnitt, gucke wie ich finde recht zufrieden in die Kamera und liebt es grundsätzlich, im Freien mit Freunden herumzustreunern. Was damals ohne lästig kreisende Helikoptereltern möglich war. Und ich liebte unseren Simca. Mit dem fuhren wir in jeden Schulferien aus Bochum in NRW nach Waldkirchen in Bay., denn dort wohnten meine Großeltern. Und weil mein Vater als junger Lehrer nicht viel verdiente und meine Mutter Heimweh hatte, verbrachten wir die freien Wochen fast immer im bayerischen Wald. Auf dem Foto liegt Schnee, es dürfte sich also um die Tage nach Weihnachten 1978 handeln.

Warum startet der Mobilitäts-Adventskalender 2022 von Flamingo und Dosenbier ausgerechnet mit diesen für mich wichtigen, aber für viele Leserinnen wohl eher belanglosen Erinnerungen? Weil Mobilität eben ein emotionales Thema ist. Autofahren war damals als Kind für mich etwas Schönes. Einfach loszufahren, wohin wir – also meine Eltern – wollten, fand ich wunderbar. Die im Sommer heruntergekurbelten Scheiben, die verschwitzten Haare und die Freude auf ein kühles Split beim nächsten Tankstopp ebenfalls.

Und die kleinen Abenteuer auch. Als wir mal ins Elsass fuhren, schlug ein Stein in die Windschutzscheibe, was die zum Splittern brachte und uns in einer kleinen französischen Autowerkstatt stranden ließ. Die Reparatur dauerte bis zum nächsten Tag, wir mussten warten, bis der Simca verarztet war. Ich erinnere mich an eine Nacht auf der Rückbank, was ich aber mit einer anderen Reise verwechseln mag.

Zum Bauboom gehörte in den 70ern der Autoboom

Es waren wie gesagt die 70er Jahre. In Deutschland war Bauboom, 1973 brachte den Rekord von 714 000 neuen Wohnungen. Und zum Bauboom gehörte der Autoboom: Städte sollten autogerecht sein, mit viel Platz für Pkw, Parkplätze und Parkhäuser. Dafür wurde oft historische Bausubstanz geopfert. Und an die Bedürfnisse der Fußgängerinnen und Radfahrerinnen dachte niemand so recht.

Autofahren ist besonders in Deutschland ein emotionales Thema. 786 109 Menschen arbeiteten 2021 in der Automobilindustrie. Die Zahl geht seit 2019 zurück, Pandemie, Lieferprobleme und auch die Elektrifizierung spielen da eine Rolle. Die deutschen Autohersteller realisieren plötzlich, dass die Zeit des Verbrenners tatsächlich abläuft. Allem bislang extrem wirkungsvollen Lobbyismus zum Trotz. Viel zu spät stellen sie Entwicklung und Produktion um. VW trennte sich sogar in diesem Jahr noch von seinem Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, der schneller voran kommen wollte mit dem Umstieg aufs E-Autos.

Meine Großeltern fuhren immer Mercedes (hier in weiß), manchmal machten wir damit zu Fünft einen Ausflug. Ich hatte dann immer so ein Gefühl von Geborgenheit. Klingt vielleicht komisch, aber auch als ich wie hier auf dem Foto mit meiner Mutter schon älter war, mochte ich die langsamen Autofahrten zum Mittagessen, Spazierengehen und Kuchenessen. Das hatte einfach so was Genütliches. Foto: privat

Andere wie Audi bauen wuchtige elektrifizierte SUV, weil die mehr Umsatz bringen als kleine, verschlankte und damit aber auch klimafreundlichere Modelle, an denen fast nichts verdient ist. Schlachtschiffe wie der Q8 verbrauchen laut Eigenwerbung von Audi 24,4 Kilowattstunden auf hundert Kilometern, kleine Stromer wie der Renault Zoe nur 19 Kilowattstunden. Damit werden die Energieeinsparungen durch die alternativen Antriebe sofort wieder durch mehr und schwerere Autos aufgefressen.

2022 waren in Deutschland 618 500 E-Autos auf den Straßen, zehn Jahre zuvor waren es erst 4500. Hinzu kommen Hybrid-Fahrzeuge, die man zusätzlich mit Benzin betanken kann. Ein technologischer Unsinn, der von dem unbeirrbaren Wunsch der deutschen Automobilindustrie zeugt, den Verbrenner auf keinen Fall sterben zu lassen. Klimakrise hin oder her. 20 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland entfallen auf den Verkehr.

Mobilität ist ein emotionales Thema

Mobilität ist ein emotionales Thema. In der Autobranche, die sich jetzt umstellen muss, auch wenn es ihr noch so wenig schmeckt (ab 2035 dürfen in der EU nur noch neue Autos mit Batterie verkauft werden), werden viele Menschen künftig andere Arbeiten machen als bislang. Oder sie werden sich sogar andere Jobs suchen müssen. Das macht Sorgen.

Zugleich macht es mit Blick auf die Klimakrise keinen Sinn, jeden Verbrenner durch einen Stromer zu ersetzen. Denn auch die Produktion von E-Autos setzt CO2 frei und der Verbrauch von kritischen Stoffen wie Lithium oder Kobalt in Batterien ist keinesfalls unbedenklich und führt zu Lieferabhängigkeiten. Wir müssen also auch den Verkehr umbauen – es muss einfacher und günstiger werden, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Städte müssen sich verändern, damit sie mehr Platz bieten für Radler und Fußgängerinnen. Andere Länder machen uns das vor.

Das alles ist eine Menge, auch eine Menge an Emotionen.

Später in meinem Leben, zu Beginn meines Studiums an der Ruhr-Uni Bochum, hatte ich übrigens einen schwarzen Fiat Panda. Mit bunten, unbequemen Sitzen, die mich immer an Gartenstühle erinnerten, und wenig PS. Doch ich kann das gute Gefühl der Freiheit –  wie zuvor als Achtjährige – noch spüren. Wenn ich losfuhr zum nächsten Theater irgendwo im Ruhrgebiet, in die Bochumer Innenstadt oder zu einer Freundin in der Hattinger Straße.

Autoverkehr nervt immer mehr

Wenn ich heute in mein Auto steige, dann nur, wenn es mit Öffentlichen oder zu Fuß gar nicht möglich ist, irgendwohin zu kommen. Da ist dann eher das Gefühl: Blöd, muss aber sein. Autoverkehr nervt mich, auch hinterm Steuer. Aber manchmal habe ich keine Wahl. Wenn ich meine Tochter in einem 37 Kilometer von Nürnberg entfernen Dorf zu einer bestimmten Uhrzeit abholen muss und da mit den Öffis gar nicht hinkomme.  Wenn ich in Nürnberg vier Stadtteile durchqueren muss, um zu einem Termin zu kommen, und dafür mit U-Bahn und Bus ewig bräuchte. Und für ewig habe ich nicht immer Zeit.

Im Mobilitäts-Adventskalender von Flamingo und Dosenbier kommen bis Heiligabend Menschen zu Wort, die erzählen, wie sie am liebsten unterwegs sind und wie sie sich die Mobilitätswende wünschen. Im Adventskalender stecken hinter den Türchen viele persönliche Wünsche, viele Emotionen und auch harte Zahlen und Fakten. Ich wünsche viel Inspiration bei der Lektüre!

Mobilitäts-Adventskalenders 2022

Bis zum Heiligenabend ist der diesjährige Adventskalender von Flamingo und Dosenbier prall gefüllt mit Interviews, Fakten und Infos rund um Mobilität. Viel Freude beim Türchenöffnen! Und wer seine Ideen für die Verkehrswende noch mit reinpacken möchte hinter die Türchen, der schreibt sehr gerne an info@flamingo-und-dosenbier.de