Foto: Max Hirschberger

Rebecca Lenhard (Bündnis 90/Die Grünen) sitzt zum ersten Mal im Bundestag.

Ute Möller
08.07.2025
Lesezeit: 3 Min.

„Ich habe selbst erlebt, wie wichtig Sichtbarkeit ist“

Rebecca Lenhard aus Nürnberg sitzt für die Grünen zum ersten Mal im Bundestag

Im aktuellen Bundestag sitzen noch weniger Politikerinnen als vorher. Was ist zu tun, um jetzt trotz der rückschrittigen Zusammensetzung des Parlaments gleichstellungspolitisch nicht nachzulassen? Das fragte Flamingo und Dosenbier die neuen und alten bayerischen Bundestagesabgeordneten. Von 24 angeschriebenen Volksvertreterinnen von CSU, Grünen, der Linken und der SPD haben neun auf die drei Fragen der Redaktion geantwortet. Die Antworten bleiben unkommentiert.

Rebecca Lenhard sitzt zum ersten Mal im Deutschen Bundestag. Die Nürnbergerin zog über die Landesliste für die Grünen ins Parlament ein.

Für welche frauenpolitischen Fragen setzen Sie sich in Berlin ein? Bitte die drei für Sie wichtigsten Themen benennen.

Rebecca Lenhard: Erstens: Gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit. Es kann und darf nicht sein, dass Frauen in Deutschland im Schnitt immer noch deutlich weniger verdienen als Männer. Mein Einsatz steht für ein seriöses Entgeltgleichheitsgesetz, das Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichtet und strukturelle Diskriminierung unterbindet.

Zweitens: Gute, verlässliche Kinderbetreuung sowie effektive Pflegeinfrastruktur. Frauen übernehmen immer noch den Hauptanteil der Care-Arbeit. Wir benötigen einen echten Ausbau von Kitas, Ganztagsschulen und Pflegeangeboten, damit Frauen eigenverantwortlich Leben und Arbeit gestalten können – egal, ob in der Stadt oder auf dem Land.

Drittens: Schutz vor Gewalt und mehr Unterstützung für Betroffene. Jede dritte Frau erlebt mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt. Ich will, dass alle Frauen einen selbstverständlichen Zugang zu Schutz, Beratung und Hilfe erhalten – unabhängig von Einkommen, Herkunft oder Aufenthaltsstatus.  Damit wir die seit dem 01.02.2018 rechtskräftige Istanbul-Konvention konkret und konsequent umsetzten können, muss der flächendeckende Ausbau der Frauenhäuser gesichert sein.

Was bedeutet aus Ihrer Sicht das Erstarken der extremen Rechten im Bundestag für Frauenpolitik und Chancengleichheit?

Das ist ein klarer Rückschritt. Rechte und rechtsextreme Parteien vertreten ein rückwärtsgewandtes Frauenbild: Frauen als „Hüterinnen des Herdes“, klassische Rollenverteilung, Ablehnung queerer Lebensrealitäten. Das bedroht alles, wofür wir lange gekämpft haben – von reproduktiven Rechten bis zur gleichberechtigten Teilhabe in Politik und Wirtschaft. Hier sprechen die vorliegenden Zahlen deutlich für sich: bei den Grünen liegt der Anteil der Parlamentarierinnen bei 61,2% im Vergleich zur AfD mit 11,8%.

Ich sage deutlich: Wer Chancengleichheit und Selbstbestimmung verteidigen will, muss jetzt aufstehen. Frauenrechte sind kein Beiwerk, sie sind die Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Und ich werde in Berlin laut sein, wenn es darum geht, diese Rechte zu schützen und auszubauen – für alle Frauen.

32,4 Prozent Frauen im Bundestag – das sind weniger als in der vorangegangenen Legislatur. Wie sehr ärgert Sie das? Wie kriegen wir mehr Frauen in die Parlamente?

Mich ärgert das sehr. Wir sind im Jahr 2025 – und arbeiten in einem Parlament, das nicht mal zu einem Drittel aus Frauen besteht. Dies spiegelt nicht die Realität unserer Gesellschaft wider; es reflektiert das Frauenbild vorherrschender männlicher Strukturen. Viele Frauenthemen, wie z.B. die bereits im Januar verabschiedete Initiative zum Gewaltenschutz, laufen Gefahr, einfach unterzugehen. Alle Frauen im Bundestag zusammen könnten keine Sperrminorität bilden.

Was wir brauchen, ist klare, eindeutige Strukturveränderung: Paritätsgesetze, die parteiübergreifend für mehr Frauen auf den Wahllisten sorgen. Bessere Vereinbarkeit von Familie und politischem Engagement – auch außerhalb der klassischen Bürozeiten. Und eine politische Kultur, die Frauen nicht ständig unterbricht, belächelt oder beleidigt, sondern sie ernst nimmt und respektiert.

Ich selbst habe erlebt, wie wichtig Sichtbarkeit ist – als lesbische Frau, als jemand, der nicht dem klassischen Politik-Klischee entspricht. Ich will, dass mehr Frauen – egal ob jung, alt, mit oder ohne Migrationsgeschichte, queer oder nicht – sich trauen, laut zu sein und mitzumischen. Dafür werde ich kämpfen.

Nächste Folge: Daniela Ludwig (CSU)