Foto: Paul Maly

Nähen war ihre früheste Leidenschaft. gefolgt ist sie ihr immer: Petra Maly war nie nur die "Frau von".

Ute Möller
26.03.2022
Lesezeit: 7 Min.

„Ich bin eher eine Unsichere“

Designerin Petra Maly war als OB-Gattin plötzlich eine öffentliche Person: Das hat sie verändert, zugleich ist sie ganz bei sich geblieben

Unsere Mütter waren sehr jung, als sie uns auf die Welt brachten. Petra Malys war 21, meine erst 19 Jahre alt. Petra Malys Mutter hatte Hutmacherin gelernt, zeichnete aber nach der Geburt der drei Kinder halbtags im „Schocken“, einem Kaufhaus in der Nürnberger Südstadt, die Waren aus. Dazuzuverdienen zum Polizistengehalt des Ehemanns war nötig, ein Leben voller Kreativität und eigener Ideen nicht vorgesehen.

Meine Mutter nahm beruflich  immer wieder neue Anläufe, eröffnete endlich als ich schon das Abitur hatte ihren Blumenladen und lebte ihre Kreativität, ihren Ehrgeiz, ihr Talent. Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Dass Mütter damals, in den 1960er und 1970er Jahren, oft wütend waren und auch sein mussten. Weil die Gesellschaft sie in das berufliche Abseits stellte. Weil es kaum Kinderbetreuung gab. Weil ihre Elterngeneration gar nicht verstand, was sie antrieb.

Und dass diese Wut eben auch ein Teil der Mutter-Tochter-Beziehungen war. Was beide Seiten belastete. Zur Untätigkeit im Außen verdammte Mütter fühlen sich im Inneren der Familie wie eingesperrt. So stelle ich mir das zumindest vor. Da lag es manchmal näher, den Nachmittag im Bett zu liegen, als so zu tun, als wäre das Leben ein Hort des Glücks. Anklopfen? Unterwünscht!

Petra Maly, die „Frau von“ Nürnbergers Ex-Oberbürgermeister Ulrich Maly (von 2002 bis 2020 leitete der Sozialdemokrat die Geschicke der Stadt), denkt schon, dass sie ihre eigene Kreativität „a bissle“ von der Mutter, der gelernten Modistin, geerbt hat. „Aber ihre Ambitionen auszuleben, das war halt damals schwer möglich für Frauen.“ Malys Modelabel „tasche.rock. etc“ lebt von achtsam gewählten Stoffen, gerne Retro, gerne bunt, gerne mit eigener Geschichte. Als Bettwäsche, Vorhang, Teil eines abgelegten Kleidungsstücks. Auch von der eigenen Oma. In Petra Malys Mode steckt auch die Vergangenheit der eigenen Familie.

„Mädchen sollten Mädchen sein“

Sie war die Erstgeborene, es folgten eine Schwester und der kleine Bruder. „Mädchen sollten Mädchen sein in den 60er Jahren. Die Eltern machten sich Sorgen, dass sie sich irgendwo herumtreiben, wo ihnen etwas passieren kann. Mädchen Selbstbewusstsein beizubringen war auch nicht so das Thema. Ich bin aber davon überzeugt, dass wenn man Mädchen frühzeitig beibringt an sich zu glauben, sie auch ganz anders auftreten. Ich war eher eine Unsichere und das bin ich heute noch, ich habe aber gelernt, damit umzugehen.“

Im Atelier in der Kobergerstraße verkauft Petra Maly ihre Kollektion. Öfter schauen auch mal Freundinnen vorbei auf einen Schwatz. Foto: Möller

Sie besuchte die Realschule, war aber eher faul, wollte mit 14 anderes tun als zu lernen. Sich mit Freunden treffen, sie hatte Jungs im Kopf, „lauter solchen Quatsch.“ Und dann kam sie zur Sozialistischen Jugend Deutschlands, den Falken. „Da gab es Frauengruppen. Feministinnen klingt immer so hart, damals hieß es auch oft: Was sind das für Frauen?“ Petra Maly fand es immer schade, wenn sich Frauen auch untereinander bekämpft haben.

Das Persönlich taugt nicht zur Doktrin

Und das sei bei den Feministinnen schon auch so gewesen. Sie blieb zum Beispiel 1992 nach der Geburt von Sohn Paul und 1994, als Tochter Anna zur Welt kam, zu Hause. Und musste sich anhören: Was, du bleibst daheim? „Und die Frauen, die gleich wieder arbeiten gingen, waren eben die Rabenmütter. Zu meiner Zeit war das heftig und ich glaube, es ist heute noch so. Schade, dass sich Frauen nicht zusammentun. Wie sich jemand entscheidet, ist doch eine höchst persönliche Sache.“ Ja, das ist es! Und wir werden zusammen kurz mal wütend, auf eine Gesellschaft, die das Persönliche zur Doktrin machen will.

Dosenbier und pappsüßer Tee – ungewöhnliche Kombi, aber Spaß hat auch die gemacht: Foto: Möller

Doch einen klassischen Frauenberuf habe sie zumindest nicht gelernt, sagt Petra Maly. Sie wurde Druckvorlagenherstellerin, als erster weiblicher Lehrling im Druckhaus Abraham. „Das war schon witzig“, sagt sie und meint’s ironisch. Fast nur Männer um sie herum, eine Kollegin, von der sie aber viel gelernt habe.

„Als Azubine war es schwierig und ich war leicht revolutionär. Ich wollte zusätzlichen Urlaub nehmen im Sommer, um als Gruppenleiterin mit den Falken wegzufahren. Und ich wollte alles lernen, was im Ausbildungsplan stand, dafür mussten sie mich teilweise aber in andere Betriebe schicken. Ich war eine Frau und unbequem. Ich sah mich im Recht und wollte es durchsetzen, leicht fiel mir das aber nicht.“

FOS – versucht und gescheitert

Eigentlich wollte sie nach der Realschule auf die Fachoberschule gehen und Modedesign oder Textilgestaltung lernen.  „Aber mit so einem schlechten Abschluss reißt man eben nicht viel. Und in der Berufsberatung haben sie mir gesagt, ich soll erst mal eine Ausbildung machen.“  Tatsächlich wechselte sie nach drei Lehrjahren auf die FOS, aber wieder scheiterte sie am Lernen. Außerdem hatte Kanzler Helmut Kohl mal fix das Bafög abgeschafft und zum Büffeln kam das Geldverdienen dazu.

Denn Zuhause wohnte sie da schon lange nicht mehr. „Meine Eltern lebten mit Oma, Großonkel und Tante in einem Haus, das war toll für sie, weil sich immer jemand um uns Kinder kümmern konnte, aber es war kein harmonisches Zusammenleben.“ Selbstständigkeit und die Distanz zu Familie waren ihr früh sehr wichtig.

Schon mit 12 Kleider genäht

Nach dem Kurztrip an die FOS ging sie zurück in ihren Job, arbeitete aber immer nur Teilzeit, um ihrer Leidenschaft folgen zu können. „Schon mit 12 oder 13 habe ich Röcke und Kleider genäht.“ Seitdem blieb sie dran, verdiente mit  ihren Entwürfen ewig nichts, beschenkte Freunde und Familie. Freute sich an der Sache, ohne ein Business daraus machen zu wollen. Geld war nicht ihre oberste Priorität, sondern ein, ja, erfülltes Leben. Das erinnert an die heute oft beschworene „work-life-balance“ und hört sich für mich verdammt selbstbewusst an und nicht wie das Lebenskonzept einer „Unsicheren“.

Ulrich Maly hatte sie schon 1978 kennengelernt, beide waren bei den Falken, „aber die Liebe kam erst später“. Mittlerweile sind sie 35 Jahre zusammen. Nach der Geburt der Kinder hätte sie übrigens schon gerne in Teilzeit in der Druckerei gearbeitet, in die sie nach der Ausbildung gewechselt war. „Aber da haben sie gesagt: Na ja, eine Frau mit Kind brauchen wir nicht wieder. Es kam nie: Ja klar, du kannst zurückkommen. Das war eben eine kleine, konservative Klitsche.“

Sie gab Nähkurs für Mädchen mit Migrationsgeschichte, „die brauchten oft einen Grund, um irgendwohin zu gehen, und einen Nähkurs haben die Eltern akzeptiert.“ Auch einen Nähkurs für junge Mütter hat sie organisiert. „Ich bin schon politisch, aber eben nicht so laut.“

„Ich dachte: Ich bleibe einfach so, wie ich bin“

Als Ulrich Maly die Kandidatur um den Posten des Nürnberger Oberbürgermeisters angetragen wurde, habe sie das aus Sicht der SPD betrachtet und fand es toll. „Als Gattin habe ich da nicht so viel drüber nachgedacht.“ Das mit der öffentlichen Aufmerksamkeit auch für sie und die ganze Familie sei langsam gewachsen. „Ich dachte: Ich bleibe einfach so, wie ich bin und habe es auch versucht. Ein bisschen verändert man sich aber trotzdem.“ Denn natürlich fange man an zu kontrollieren, wie man aussieht, wenn alle darauf achten.  „Aber ich glaube, ich habe es trotzdem ganz gut hingekriegt.“

Mode made by Maly.

Als Frau vom Stadtkämmerer war sie zuvor keine so öffentliche Person, „plötzlich lief ich mit und fühlte mich schon etwas wichtig.“ Zugleich war sie immer „die Frau vom“. „Richtig schlimm war es nicht. Manchmal habe ich mich aber geärgert, wenn ich bei einer Veranstaltung zweimal begrüßt wurde.“ Einmal mit „Ach, Grüß Gott“ und dem Subtext „Wer sind Sie denn?“. Und später mit „Oh, Grüß Gott Frau Maly“, wenn sie neben ihrem Mann stand. „Das war aber auch lustig. Jedenfalls tut sich im Laufe der Zeit etwas in dir und mit dir, es ist schwer zu beschreiben.“

Kombis findet sie klasse

Toll fand es Petra Maly, wenn sie auf ihre Näherei angesprochen wurde. Sie liebt Kombis – einen Rock mit passender Tasche, ein abgestimmtes Oberteil. „Das fiel den Leuten auf, aber bewusst als Bühne für meine Mode habe ich die öffentlichen Termine nie benutzt.“ Ihr Label „tasche.rock. etc“ gründete sie 2009.  „Mit Mitte oder Ende 40 wollen ja viele Frauen noch mal was für sich machen und beginnen zum Beispiel beruflich noch mal was Neues. Ich musste aber nie davon leben, sonst hätte ich es anders aufziehen müssen.“

Ihre ersten Kreationen verkaufte sie auf Kommissionsbasis in einem Laden in der Laufer Gasse in Nürnberg. Petra Maly wollte da noch nicht, dass jemand erfährt, dass sie dahinter steckt. Sie wollte nicht so ihr Business starten, dass die Leute sagen: „Ach, die Maly näht, das schauen wir uns mal an!“ Wenn sie ihre Stücke auf Märkten verkauft, drehen die Leute manchmal die Säume um, um zu gucken: Ist das auch sauber genäht? Kann sie das wirklich?

Ihrem Mann, dem OB, den Rücken freizuhalten, das sei für sie schon okay gewesen. „Aber es gab Momente, wo es mir auf den Nerv gegangen ist, dass immer alle auf dich schauen. Oft habe ich nach dem Urlaub gedacht: Jetzt treffe ich beim Weg zum Bäcker wieder alle und muss Smalltalk machen.“

Für die Kinder war es blöd, wenn der Vater angegafft wurde

Die Kinder haben Petra und Ulrich Maly weitgehend rausgehalten aus dem öffentlichen Leben, „wir wollten zum Beispiel keine Fotos mit Kindern in der Zeitung.“ Die erste Zeit sei für die schwierig gewesen, „Paul war Zehn, als Uli gewählt worden ist, und hatte gleich den Wechsel an die Realschule. Ein Mitschüler sagte zu ihm ,Oh, jetzt müssen wir den roten Teppich ausrollen, da kommt der Sohn vom OB´. Das ist für einen Zehnjährigen heftigst.“

Stoffe, bunt, gern Retro und mit eigener Geschichte: Sammlung im Atelier in der Kobergerstraße. Foto: Möller

Wichtig sei es gewesen, dass beide Kinder einen festen Freundeskreis hatten „Und dann hat sich Paul Dreadlocks machen lassen, um sich vom großen Vater abzugrenzen. Und die hat er dann auch lange gehabt, von 15 bis 18.“  

Für die Kinder sei es schon blöd gewesen, wenn die Familie privat unterwegs war und der Papa angesprochen und erkannt wurde. „Sie haben lieber daheim gegessen als auswärts, weil sie nicht angegafft werden wollten. Wir haben das schneller verarbeitet, für die Kinder war das schwieriger.“

Ihr Kollektion verkauft sie im Atelier in der Kobergerstraße 51 in Nürnberg. Ulrich Maly privatisiert, kocht daheim, „er genießt das und hat sich den Schritt aus der Politik ja auch lange genug überlegt.“ Mit ihrer Kollektion habe sie „noch einen Klotz am Bein“, sage er manchmal. „Aber bis zu meinem 60.Geburtstag mache ich damit noch weiter!“

Bunt fürs Frühjahr: Bis zu ihrem 60. Geburtstag will Petra Maly weitermachen mit der Mode.