Hey, es ist Weltfrauentag. Die Flamingos im Sessel teilen sich ein Dosenbier. Runterzuspülen gibt es ja genug.

Ute Möller
08.03.2022
Lesezeit: 3 Min.

Ich bin dann mal still am Weltfrauentag

Laut sein geht nicht, wenn man gerade fastet und beim Grübeln im Flamingosessel herausfindet: Ich glaube immer noch an Veränderung, trotz allem

Ich bin spät dran. Equal Pay Day war gestern, der internationale Frauentag heute ist weit fortgeschritten. Vielleicht bin ich spät dran, weil ich seit gestern faste. Das sollte cool sein, von wegen Entschlacken und Reset-Knopf drücken. Ist es aber nicht. Mein Kopf ist bräsig und mein Kreislauf macht mir Sorgen. Ich habe eine Treppe in meiner Wohnung, die könnte ich runterfallen, wenn ich weiter nichts esse. Darauf hab ich keine Lust. Ich geh mal eben in die Küche und mach mir Jogurt mit Banane. Sonst habe ich nichts da. Wollte ja fasten, wie gesagt.

Ich habe beim Rumfasten und auch davor schon nachgedacht. Das mache ich öfter, aber dieses Mal ging es um eine Frage, die sich ganz speziell vor dem Weltfrauentag, dem Frauenmonat, dem Equal Pay Day … stellt. Will ich mitmachen beim Gendereventtrubel? Klar, der Weltfrauentag ist wichtig, aber muss ich genau heute meinen Senf dazu geben, dass viel weniger Frauen Führungspositionen haben als Männer? Dass Klischees und Stereotype die Frauen im besonders konservativen Deutschland nicht aus ihren Klauen lassen? Schon mal das eigene Kind als Letzte von der Kita abgeholt und sich als totale Fehlbesetzung gefühlt im Heimatfilm „Mutti ist die Beste“? Dabei ist es erst 16 Uhr und Mutti macht eh nur nen Halbtagsjob.

Mit Dosenbier auf der Bank

Ich setzte mich auf den plüschigen Flamingosessel, streichelte gedankenverloren die vielen Vogelköpfe und knackte das erste Dosenbier. Flamingo und Dosenbier auf Achse im Frauenmonat März? Was geht da? Ich könnte mich mit einem Dosenbier auf eine Bank setzen und schauen, wer sich dazu setzt. Um dann darüber zu sprechen, was das Leben leichter machen würde. Als Frau, als Mann, als… Der Monat ist noch lang. Der Eventkalender ist dicht, ich käme dann so von der Seite noch dazwischen. Mal sehen.

Ach ja, übrigens:  Klischees sind scheiße. Übrigens auch für Männer, die die Rollenerwartung des alleinernährenden Teilzeitvaters total daneben finden. Es ist heftig, dass der Gender Pay Gap in Bayern mit 21 Prozent noch größer ist als im Bundesdurchschnitt (da liegt er bei 18 Prozent und wird und wird kaum weniger). Es ist fahrlässig, dass sich in der Bildung so wenig tut und sich Mädchen in Mathe weiterhin mal schnell unterschätzen, wo Jungs einfach mal machen. Dass in bayerischen Realschulen die Kinder noch das Tippen mit zehn Fingern im IT-Unterricht lernen, statt Programmiersprache. Und auch Mütter das gut finden – ist ja was Solides. Äh, für welchen Job in welchem vergangenen Jahrzehnt jetzt genau?

Mut, jeden Tag

Es ist klar: Wir müssen Mädchen Mut machen, in die MINT-Fächer zu gehen. An den Unis, im Job. Stephanie Bschorr, lange Jahre Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen, empfahl unlängst, Programmiersprache wie Fremdsprachen an den Schulen zu unterrichten. Wir brauchen neue Ideen und die Power, sie umzusetzen.

Yep, aber das brauchen wir jeden Tag. Jede und jeder in ihrem Job, in seiner Aufgabe. Ich war beim zweiten Dosenbier im Flamingogewusel und es fiel mir wie Federn aus den Flügeln: Wenn alle jeden Tag für Veränderung eintreten würden, hätte das eine verdammte Kraft. Und an die glaube ich tatsächlich, die treibt mich an. Immer noch, vielleicht hoffnungslos naiv. Was soll’s. Dieser Kraft gilt es eine Stimme zu geben. Heute, morgen, jeden Tag. Und um sich daran mal wieder zu erinnen, dafür ist dann vielleicht doch der Weltfrauentag genau richtig.