Foto: Michel Koch

Michaela Meintzinger hat in ihrem Hotel für ein entspanntes Design gesorgt, in dem sich auch in aller Ruhe eine Brotzeit essen und Wein verkosten lässt.

Ute Möller
16.09.2021
Lesezeit: 6 Min.

Hotelchefin mit Freiheitsdrang

Michaela Meintzinger erzählt von ihrem Leben in der Öffentlichkeit und davon, wie wichtig Offenheit für Veränderungen ist

Hotelchefin Michaela Meintzinger und ich sind eine Generation. Außerdem waren unsere Mütter bei unserer Geburt sehr jung. Und wir kennen beide das Gefühl, dass die Außenwirkung für die Familie sehr wichtig ist. Das, „was man denkt“, also die anderen. Als ich mit 19 oder 20 Jahren meine Oma anrief, weil ich einen Disput mit meiner Mutter über meinen aktuellen Freund hatte, sagte sie zu mir: „Aber sie ist doch deine Mutter, du musst auf sie hören!“ Es ging weniger um Gefühle und Argumente, als um das, was traditionell zu gelten hatte.

Ich will die Vorgängergenerationen nicht beurteilen. Im Gegenteil. Die Frauen hatten kaum Chancen, ihren Weg frei zu wählen. Sie litten unter den Erwartungen an eine Hausfrau, an eine gute Mutter. Meine Großmutter wäre nie auf den Gedanken gekommen, ihre Rolle zu befragen.

„Werde niemals Hausfrau!“

Unsere Mütter und wir Töchter haben unsere Geschichte dann immer mehr in die eigene Hand genommen. Generationenkonflikte inklusive. Meine Mutter, die mich mit 19 Jahren bekam, hätte gerne studiert. Doch dafür hätte ihre Schwiegermutter, meine Oma, mich öfter betreuen müssen. Diesen Disput konnten die beiden nicht lösen. Kein Wunder, dass mich meine Mutter folgenden Satz, den sie auf ein Stück Papier notiert hatte, schon in meiner Grundschulzeit unterschreiben ließ: „Ich werde niemals Hausfrau!“ Hat geklappt.

Ich interviewe Michaela Meintzinger, weil sie Flamingo und Dosenbier von Winzerin Ilonka Scheuring empfohlen wurde (einfach mal im Porträt von Ilonka Scheuring nachgucken). Die Hotelchefin aus Frickenhausen in Unterfranken sei ein toller Interviewgast, sagte mir Ilonka Scheuing. Sie gehe ihren Weg, habe ihr Hotel in kurzer Zeit komplett und mit Liebe zum Detail umgestaltet und sei immer gerade heraus. Ich bin also gespannt.

Hotelchefin Michaela Meintzinger
Immer wieder neue Wege zu gehen, ist Michaela Meintzinger wichtig. Foto: Michel Koch

Das Hotel Meintzinger liegt wie ein Schloss im kleinen Frickenhausen. Als Michaela vor 27 Jahren mit ihrem Mann Jochen Meintzinger zusammenkam, habe sie das Gefühl gehabt, in blaues But einzuheiraten, erzählt sie und lacht. 2005 übernahmen beide die Verantwortung für Hotel und Weingut. Seitdem kamen zu den damals 17 Hektar Weinberg 20 Hektar dazu. Und statt zwölf Hotelzimmern sind es heute 32. Die Belegung lag vor 16 Jahren gerade mal bei 20 Prozent.

Hotelchefin Michaela Meintzinger liebt Details und Wohlfühlatmosphäre
Entspannt im Hof sitzen und Wein trinken – das möchte Michaela Meintzinger ihren Gästen bieten. Foto: Gregor Schmitt

Die Umstrukturierung und der Umbau seien ein Wahnsinnskraftakt gewesen. Allein seit Beginn der Corona-Krise haben Michaela und Jochen Meintzinger noch mal 15 Zimmer renovieren lassen. Die 50-Jährige arbeitet sieben Tage in der Woche, erst im Lockdown habe sie gelernt, dass sie das Stresslevel auch mal runterschrauben kann. Jetzt gönnt sie sich ein langes Wochenende pro Monat. Insofern sei die Pandemie für sie auch eine wertvolle Zeit.

Dieser irre Anspruch an sich selbst und das in einer anstrengenden Dienstleistungsbranche wie der Hotellerie – blickt man auf Michaela Meintzingers Leben, kommt der nicht überraschend. Geboren im kleinen Giebelstadt, verbrachte sie viel Zeit bei den Großeltern. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt erst 17 Jahre alt und machte noch den Schulabschluss nach.  „Meine Mama hatte zwei Geschwister und ich war für meine Großeltern wie ihr viertes Kind“, erzählt die Hotelchefin.

Ihr Opa war Steinmetz und rund um Ochsenfurt sehr bekannt. „Wichtiger als die Schulbildung war es in meiner Familie, gehorsam, fleißig und freundlich zu den Leuten zu sein.“ Die kleine Michaela begleitet ihren Opa immer wieder, wenn der auf einem Friedhof einen Grabstein bearbeitete. Dann saß sie auf einem „Schemele, ich spielte und schaute ihm zu. Wenn Leute vorbeigingen, musste ich aufstehen, die Hand geben und artig Grüß Gott sagen“.

Rebelliert hat sie in der Familie nie

Rebelliert habe sie in ihrer Familie nie gegen die Erwartung, immer brav zu sein.  „Es war meine Rebellion, als ich früh meinen Mann geheiratet habe und mit ihm zusammen meinen Weg weiterging.“ Vorher lernte Michaela Einzelhandelskauffrau und setzte die Ausbildung zur Handelsfachwirtin oben drauf. „Nebenbei arbeitete ich noch in einer Fabrik, um mir was dazuzuverdienen.“ Sie habe sich immer schon gerne etwas leisten können.

Der Berufswunsch als Mädchen: Eine eigene Supermarktkette. „Es war mein Traum, die Welt zu erobern und das Einkaufen zu einem Erlebnis zu machen.“ Und genau das tut sie jetzt mit ihrem Hotel, in dem sich in entspannter Atmosphäre Wein verkosten und auch einfach mal bei einer Flasche chillen lässt. Michaela Meintzinger mag es, wenn in ihrem Haus viel gelacht wird. „Wir machen Weine, die lustig sind“, sagt sie.

Leidenschaft für Wein geweckt

Als sie bei einem Weinfest Jochen Meintzinger kennenlernte, war sie 22 Jahre alt. „Er war der richtige Mann zur richtigen Zeit. Wir haben uns unglaublich angemacht damals und er hat außerdem die Leidenschaft für Wein in mir wachgeküsst.“ Seit 2005 entscheiden sie alles gemeinschaftlich. „Jochen ist für den Weinkeller verantwortlich und beim Verkauf vertraut er mir.“ Sie ist aber auch bei der Verkostung maßgeblich beteiligt, „ich kann nur verkaufen, was mir schmeckt“. Frauen hätten ohnehin das feinere Gespür für Geschmack und Geruch des Weins.

Das Hotel ist für die Vermarktung unverzichtbar: „80 Prozent unseres Weins geht zur Tür raus, wir vertreiben wenig über den Fachhandel oder die Gastronomie.“  Täglich kommen neue Gäste ins Hotel, einer der Weine schmecke jedem Gast. Jede zweite Bestellung komme zudem online rein. Die hohe Online-Quote beim Verkauf habe auch die Coronajahre 2020 und 2021 geschäftlich erfolgreich gemacht.

Hotelchefin Michaela Meintzinger hat auch besondere Gläser entwerfen lassen
Schöö‘ is – Ach, was soll’s – Nur a weng: Auch bei den Weingläsern achtet die Hotelchefin aufs Detail.

Die Vermarktung über das Hotel, die Organisation der Verkostungen, der Umbau des traditionellen Hotels in eine moderne Herberge im Industrie-Schick  – das ging auch auf Kosten der Ehe. „Wir hatten nie Zeit, Momente gemeinsam zu genießen, weil immer was zu tun war.“ Vor sechs Jahren trennte sie sich von ihrem Mann. „Dass wir weiter zusammenarbeiten können, halte ich für eine totale Seltenheit. Das funktioniert nur, weil wir Respekt voreinander haben. Und uns so gut kennen. Ich bin sehr impulsiv, aber Jochen kann mich gut runter holen.“ Was sie jetzt vor allem vermisse, seien die gemeinsamen Gespräche beim Abendessen über das Geschäft.

In Frickenhausen und im ganzen Landkreis sei die Trennung ein großes Thema gewesen. „Weil ich ein offener Mensch bin, sprechen mich die Leute direkt darauf an, Jochen dreht sich da eher weg.“ Ihre Tochter Eva und Sohn Philipp waren bei der Trennung 16 und 20 Jahre alt. Sie schauten kritisch, wenn sie neue Verabredungen hatte, „für sie war wichtig, dass ein neuer Partner akzeptiert, dass ich weiter im Hotel arbeite, zusammen mit Jochen“.

Sozialkontrolle ist anstrengend. Auch für Michaela Meintzinger, die es seit ihrer Kindheit gewohnt ist, dass man sie und ihre Familie im Ort kennt. Sie organisiert sich kleine Fluchten. Hat gerne das Gefühl, immer einen gepackten Koffer zu haben. Seit einem Dreivierteljahr ist Michaela Meintzinger mit einem Münchner liiert, drei Mal die Woche treffen sie sich in Nürnberg. Sie hat dort eine Wohnung auf Zeit gemietet „wir schnappen uns dann zwei Liegestühle, eine Flasche Wein und ein paar Knacker, setzen uns in die Pampa und genießen, dass uns keiner kennt“. Am anderen Morgen fährt sie zurück nach Frickenhausen. Außerdem habe sie sich kurzentschlossen ein Haus in Schweinfurt gekauft, mit Seezugang. „Ich bin schon total verrückt“, lacht sie.

„Wollen die Leute mich oder meinen Namen?“

In Frickenhausen sitzt sie auch im Gemeinderat, um sich für das finanzschwache Dorf zu engagieren. Manchmal frage sie sich, ob die Leute sie wollen oder ihren bekannten Namen. Das Weingut hat eine lange Geschichte, es existiert seit 1790. Michaela wohnte mit ihrer Familie viele Jahre in dem Gebäudeteil, der einst die Sommerresidenz der Würzburger Bischöfe war.

Zusätzlich zum Gemeinderat engagiert sich die 50-Jährige bei der Tafel in Ochsenfurt. Und sie absolvierte eine Ausbildung zur Hospizbegleiterin. „So viele Menschen sterben zerstritten mit ihrer Familie, sie wollen von ihrer Wut aufs Leben erzählen oder von dem, was schön war.“ Ihr selber gehe es gut, was abzugeben gebe ihr innere Ruhe. Es entstünden „innige Freundschaften“ mit den Sterbenden, oft sei sie in den Corona-Lockdowns eine der wenige erlaubten Gäste bei den Bestattungen gewesen. „Das habe ich als unheimlich schön empfunden.“

Viele haben wie die Hotelchefin einen inneren Antreiber, der einen dazu anstachelt, nicht nachzulassen und immer wieder über die eigenen Grenzen zu gehen. Auch das mag ein Generationending sein. Ebenso wie die Geschlechterstereotype. „In meiner Generation wird der Mann immer ernster genommen als die Frau“, meint Michaela Meintzinger.  Es gebe Kunden, die vor ihr stehen und nach dem Chef verlangen. „Aber bei den jüngeren Leuten läuft das alles easy ab, die sind selbstbewusster.“ Ihre Tochter Eva studiert Touristik-Management, „die geht ihren eigenen Weg und will mal ein eigenes Hotel eröffnen“.

Mit Blick auf den Weinanbau bedauert es Michaela Meintzinger, dass immer noch so wenig Frauen am Berg und im Keller arbeiten. „Sie sind aus meiner Erfahrung freudiger beim Experimentieren und Ausprobieren von Neuem.“ Offenheit für Veränderungen findet sie ohnehin wichtig. Zugleich sei es etwas Gutes, das Leben im Griff zu haben. „Und ich habe im Moment das Gefühl, dass es so ist.“ Wieder zu heiraten sei für sie wichtig, „das gibt mir Sicherheit“. Und das Gefühl anzukommen, bei allem Freiheitswillen und aller Lust auf Neues, werde sicher auch ein sehr schönes sein.

Michaela Meintzinger empfiehlt: Ute Kempf

Flamingo Kopf

Nach ihrer Weiterempfehlung gefragt, schreibt Michaela Meintzinger an die Redaktion: „Das ist wirklich schwer, es gibt viele, die es verdient hätten, als ,Heldin des Alltags‘ betitelt zu werden.“ Besonders empfehlenswert findet sie jedoch Ute Kempf. Die Hotelchefin und die Schulleiterin, die seit einigen Wochen im Ruhestand ist, haben sich vor rund sechs Jahren bei einer Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes kennengelernt. „Ute ist eine klasse Frau – mit viel Durchsetzungsvermögen, selbstbewusstem Auftreten und enormer Ausstrahlung. Wir haben schon oft bei einem Glas Wein zusammen gelacht. Ich mag sie sehr. Wir sehen uns nur viel zu wenig!“ Zugleich habe sie immer Respekt für die Arbeit als Schulleiterin gehabt. „Das ist täglich eine Herausforderung und sie hat sich in einem Männerjob sehr zielstrebig und selbstewusst behauptet.“

Ute Kempf hat Lust auf ein Interview mit Flamingo und Dosenbier, das also demnächst online gehen wird!