Foto: Maria Bayer

Sophie Zepnik (li.) und Anna Souvignier sind hejhej-mats.

Ute Möller
13.11.2020
Lesezeit: 6 Min.

„Wie wollt ihr zwei Frauen das schaffen?“

Sophie Zepnik und Anna Souvignier gründeten hejhej-mats und fordern: Die Gründungslandschaft in Deutschland muss sich verändern!

Die Gründerinnen von hejhej-mats begannen ihre Gründungsreise in Schweden, zum Glück. Denn dort erhielten die beiden Nürnbergerinnen viel Support für ihre Idee einer nachhaltigen Yogamatte.

Anna Souvignier und Sophie Zepnik, die Erfinderinnen der recycelten Yogamatte, sind längst Role Models als erfolgreiche Gründerinnen. Seit 2018 wächst ihr Nürnberger Unternehmen hejhej-mats. nachhaltig. Dabei habe es genügend Situationen gegeben, „in denen wir auch hätten aufgeben können“, erzählt Sophie.

„Wir waren am Boden zerstört“

Da sei zum Beispiel jener schreckliche Tag gewesen, als endlich die Produktentwicklung ihrer nachhaltigen Yogamatte abgeschlossen war. „Wir hatten ein erfolgreiches Crowdfunding hinter uns und schon einige Matten verkauft, wir dachten alles läuft super“, sagt Sophie. Sie waren auf dem Weg zu einem Hotel in Österreich, wo sie die ersten Unterlagen präsentieren wollten, „da teilte uns der Hersteller mit, dass er die Serienproduktion nicht hinkriegt, wir waren am Boden zerstört und mussten wieder bei Null anfangen.“ Die Wut habe sich dann aber schon bei der Rückfahrt im Auto in Motivation verwandelt. Während Anna fuhr, klappte Sophie den Laptop auf und suchte einen neuen Produzenten.

Coole Yogamatten, Umwelt und Yogi freundlich.
Foto: Maria Bayer

In jeder hejhej-Matte, die in einem Betrieb unweit von Nürnberg hergestellt werden, dessen Namen Anna und Sophie mit Blick auf mögliche Nachahmer aber nicht nennen möchten, stecken rund 1,5 Kilo Schaumstoffreste. Abfall, der zum Beispiel bei der Autoproduktion achtlos auf den Müll geworfen würde, erhält in den rutschfesten Unterlagen ein sinnvolles und zudem ästhetisches Revival. Ist eine Matte nach vielem Yoga-Üben abgenutzt, kann man sie an hejhej zurückschicken und sie gelangt wieder in den Recycling-Kreislauf.

Yoga-Blöcke aus Flip-Flops

Mittlerweile produziert hejhej auch Taschen für Yogamatten – aus gebrauchten PET-Flaschen und ausrangierten Fischernetzen für die Reißverschlüsse. 100 nachhaltig produzierte Yoga-Blöcke – gefertigt aus Flip-Flops, die in Kenia als Müll an den Strand gespült wurden – waren an einem Tag ausverkauft. „Im Herbst nehmen wir Blöcke aus recycelten Schaumstoffen in unser Programm auf“, kündigt Sophie an.

In der Pandemie wurde viel remote gearbeitet, die beiden Gründerinnen schätzen es, von überall ihre Firma leiten zu können. Anna und Sophie treffen sich zum Arbeiten gerne an unterschiedlichen Orten- zu Hause, im Kafeehaus oder in einer Bibliothek. Auch zeitlich sind sie gerne flexibel, denn trotz der vielen Arbeit möchten sie zum Beispiel unbedingt ihre eigene Yogapraxis weiterhin im Alltag unterkriegen.

2020 kamen drei Mitarbeiterinnen zu dem Start-up dazu. Sie kümmern sich um Marketing und Kundenmanagement und arbeiten in Nürnberg, Mannheim und in der Nähe von Hannover. Doch wenn ein neuer Schwung der hell- und dunkelgrauen Yogamatten produziert wird, sind sie alle vor Ort. Wobei die Zeiten vorbei sind, in denen Anna und Sophie jede Matte persönlich auf ihre Qualität geprüft haben. Dafür sind es mittlerweile zu viele. Verpackt, vorher mit dem Logo versehen und auf Schönheitsfehler kontrolliert, werden sie in einer Behindertenwerkstatt in Nürnberg.

Nicht nur den Profit im Sinn

Die Erfolgsgeschichte nahm 2017 in Malmö Fahrt auf und in ihrem Kern erzählt sie wie viele gelingende Start up-Storys davon, dass da welche für ihr Produkt auch deshalb so brennen, weil es ihren persönlichen Bedarf deckt.

Anna Souvignier und Sophie Zepnik hatten sich während des Bachelorstudiums bei einem Auslandssemester in Spanien kennengelernt. Anna war da schon klar, dass sie nach ihrem Marketingstudium in Hamburg auf keinen Fall für Firmen arbeiten möchte, denen es nur um den Profit, aber nicht um die Produktionsbedingungen geht. Sophie, die naturverbunden im Allgäu aufwuchs, hatte im Laufe ihres Studiums der Sozialökonomik in Nürnberg ebenfalls das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt.

Spaß in der Fabrik
Alles, aber nicht „typisch“: Sophie (li.) und Anna.
Foto: Maria Bayer

Kein Wunder, dass beide ihren Master in Nachhaltigkeitsmanagement machen wollten. Weil das Fach in Deutschland kaum angeboten wird, bewarben sie sich an der Hochschule in Malmö, zogen in eine WG und genossen die Zeit. Yoga war Teil ihres Alltags, auf den üblichen Matten aus Plastik übten sie Hund und Taube und dachten nicht weiter über den Produktionsweg der Unterlagen nach.

Bis sie in einem Museum Werke der türkischen Künstlerin Pinar Yoldas sahen, die sich genau mit diesem Widerspruch beschäftigten: Yogis halten sich für wahnsinnig achtsam, aber mit ihren Matten produzieren sie achtlos jede Menge Müll. Diese Message haute Anna und Sophie erst mal ziemlich um. Sie recherchierten und fanden tatsächlich keine nachhaltig produzierten Yogamatten auf dem Markt. „Wir beschlossen, sie selber herzustellen.“ Dass sie kein technisches Know-how besaßen, war ihnen egal.

„Wir sind keine typischen Gründer“

Sophie hält sich bis heute nicht für den „typischen Gründer, der klassisch an Wirtschaft und schnellem Wachstum interessiert ist, ein cooles Leben in Berlin führt und ständig irgendwo sein Business pitcht. Wir wollten einfach machen und dachten, in spätestens einem Jahr haben wir unsere Matte.“ Doch es sollte doppelt so lange dauern.

Sie sprachen mit möglichen Geschäftspartnern, bauten sich Wissen und ein Netzwerk auf. „Aufgegeben haben wir nie, weil wir wussten: Wenn wir es hinkriegen, gibt es viele Menschen, die unsere Matten benutzen werden. Wir hatten schließlich Umfragen im Freundeskreis und über das Internet gemacht.“

Unis in Schweden fördern Gründungsideen

Ihr Coach hatte ihnen zur Marktanalyse geraten. Sie fanden ihn ganz unkompliziert in dem Gründerzentrum ihrer schwedischen Universität. Studierende mit Geschäftsideen zu ermutigen, gehört in Schweden zum guten Ton. Anna und Sophie trieben ihr Projekt bis zum Sommer 2018 neben dem Studium voran. „Wir konnten uns damit in jeder projektbasierten Studienarbeit befassen und haben auch unseren Master über unsere Yogamatten geschrieben“, sagt Sophie. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Deutschland so möglich gewesen wäre.“

Die hejhej-mats werden in einer Behindertenwerkstatt in Nürnberg verpackt. Foto: Maria Bayer
Die hejhej-mats werden in einer Werkstatt für Behinderte in Nürnberg mit dem Label versehen und von dort auf die Reise zu den Kundinnen und Kunden geschickt. Foto: Maria Bayer

Toll sei auch das Stipendium gewesen, dass sie nach dem Studium von der Universität in Lund erhielten und das den Gründerinnen für drei Monate ein Gehalt sicherte. Anschließend kehrten sie „wegen Freunden und der Familie“ nach Deutschland zurück. Und lernten ein eisigeres Gründungsklima kennen.

Reine Männer-Jurys

„Förderanträge sind in Deutschland 30 bis 40 Seiten lang, es braucht viele Ressourcen, um sich da durchzuarbeiten.“ Doch das junge Unternehmen brauchte Geld, weil die Produktentwicklung länger dauerte als gedacht. Also steckten Anna und Sophie viel Energie in Papierkram und Pitches. Und trafen nicht nur einmal auf rein männlich besetzte Jurys.

„Ich erinnere mich an einen Start up-Wettbewerb in Augsburg, bei dem wir extrem das Frauenthema zu spüren bekamen“, erzählt Sophie. In Deutschland hörten sie zum ersten Mal die Frage, wie sie es als zwei Frauen eigentlich schaffen wollen. In Schweden sei es nie ein Thema gewesen, dass sie Frauen sind. „Auch das Yoga-Thema wurde bei den Wettbewerben in Deutschland belächelt.“

Schließlich sparten sie sich die Energie für kräftezehrende Pitches und Anträge. Und schafften es trotz, aber eben nicht dank der deutschen Gründungsförderung. Für diese wünscht sich Sophie mehr Frauen in Jurys und andere Gremien. „Die hätten unser Thema vielleicht eher verstanden.“ Hejhej-mats hätte auch ein Ort mit Know-how und Expertinnen geholfen, „es wäre schön gewesen, im Gründungsprozess mit mehr Frauen zu tun zu haben, ein solcher Ort könnte mehr Menschen zum Gründen inspirieren“.

Frauen gründen oft nachhaltig

Hejhej-mats steht exemplarisch dafür, dass Frauen oft nachhaltig gründen. Vielen geht es nicht um das schnelle Wachstum, sondern um die Verantwortung den Mitarbeitenden, sich selber und der Gesellschaft gegenüber.

Dass in der Corona-Krise das Bewusstsein für diese Themen wuchs, kommt den Gründerinnen entgegen. Nun muss nur noch die Gründungsförderung in Bayern und Deutschland auf den Wandel der Gesellschaft reagieren. Sich gendergerechter aufzustellen ist dabei etwas, das längst hätte passieren müssen. Davon ist Sophie Zepnik überzeugt.

„Niemand sollte aus Angst erst gar nicht starten“

Ihr Rat an Gründerinnen: „Es ist schade, es aus Angst sein zu lassen. Natürlich sollte man einen klaren Plan haben und sich sehr genau überlegen, was man tun will. Aber wenn man für die Idee brennt, geht es ums Machen.“

Ihr selber sei damals nicht bewusst gewesen, was sie da Großes ins Rollen bringen. „Es war manchmal finanziell sehr schwer, aber ich habe nie grundsätzlich gezweifelt.“ Jetzt genieße sie es, dass ihr Unternehmen aus der Gründungsphase raus ist und wachsen kann. „Ich bin aber nicht der Typ, der langfristige Pläne macht.“ Und Zeit für Freunde, Familie und natürlich Yoga müsse sein. Das ist den beiden Unternehmerinnen auch für ihre Mitarbeitenden wichtig – „sie sollen auch Freizeit haben.“

hejhej-mats empfehlen: Mari & Anne

Flamingo Kopf

Mari & Anne produziert und verkauft über ihren Online-Shop Kosmetik mit ausschließlich natürlichen Inhaltsstoffen, ganz zentral ist das Öl aus fränkischen Weintrauben. Die Macherinnen in Kitzingen sind Sabine Lewandowski, ihre Schwester Marina und Mutter Marianne. Die mischte schon in den 90er Jahren Salben aus natürlichen Zutaten in der heimischen Seifenküche an. „Ich habe Sabine durch Jessica Könnecke, die Gründerin von ´Mit Ecken und Kanten“, kennengelernt“, erzählt Sophie Zepnik. „Sie hat uns alle zu einem Abendessen eingeladen. Ich mochte sofort die Macherinnen-Art von Sabine, sie geht ihren Weg und setzt sich gegen Widerstände durch. Sabines Schwester Marina hat das Down-Syndrom und ist ganz selbstverständlich Teil des Unternehmens. Auch wir finden es wichtig,  Menschen mit Handicap zu beschäftigen und das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Das verbindet uns über das Thema Nachhaltigkeit hinaus ebenfalls mit Mari & Anne.“ Man telefoniere oft und tausche sich aus.

Flamingo und Dosenbier hat Sabine Lewandowski für ein Interview angefragt…