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Eine Bühne voller Männer: Gala der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur.

Ute Möller
30.10.2023
Lesezeit: 6 Min.

Fußballpreis – cool, aber wo sind die Frauen?

Flamingo und Dosenbier ging zur Gala der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur

„Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf.“  Die Bundesligaspielerin und Europameisterin mit der U-19-Nationalmannschaft Imke Wübbenhorst nahm als Trainerin des Zweiligisten BV Cloppenburg kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, blöde Fragen zu beantworten. Der Satz wurde 2019 von der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur in Nürnberg zum „Fußballspruch des Jahres“ gekürt. Bei der alljährlichen Preisverleihung der Akademie stehen nur wenig Frauen auf der Bühne. Die Preisträger sind in der Regel männlich, auch im Jahr der Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2023. Imke Wübbenhorst gehört zu den Ausnahmen, leider.

Wübbenhorst war gefragt worden, ob sie als Trainerin der Cloppenburger eine Sirene auf dem Kopf tragen werde, damit ihre Spieler schnell noch eine Hose anziehen können, bevor sie in die Kabine kommt. Den als Frage getarnten Macho-Spruch konterte sie mit den Schwanzlängen. In der Männerdomäne Fußball sind die Tore eben oft noch weit offen für sexistische Sprüche und männliche Pubertätsfantasien.

Der Ball ist rund, die Branche vor allem männlich. Daran kann oder will auch die Verleihung der Deutschen Fußball-Kulturpreise nichts ändern. Nur in der Kategorie „Fußballspruch des Jahres“ haben seit 2006 überhaupt zwei Sportlerinnen den 1. Preis gewonnen. 2022 wurde Spielerin Lena Oberdorfer vom VfL Wolfsburg geehrt für ihren Ausspruch „Frauenfußball, Männerfußball. Es ist ein Fußball.“

Lea Paulick, Torhüterin beim 1. FC Nürnberg, sagt: Vorbild zu sein, ist einfach unfassbar schön. Tun wir was für den Mädchenfußball, ja auch ihr, die Vereine! Foto: Bernhard Spachmüller

Während Kicker für ihre Kommentare zum Sport geehrt wurden, die oft einer unfreiwilligen Komik nicht entbehrten, zeichnete die vor allem männlich besetzte Jury bisher in dieser Kategorie Sportlerinnen aus, wenn sie den Sexismus in der Branche kritisierten.

Wir sind am Ball. Echt jetzt?

Das ist doch klasse, oder? Seien wir froh, wenn das massive Machtgefälle im Fußball überhaupt thematisiert wird. Doch natürlich benutzt die Branche den Nürnberger Fußballpreis da auch ganz gern, um sich selber auf die Schultern zu klopfen und zu demonstrieren: Klar sehen wir, dass für Kickerinnen vieles noch nicht rund läuft. Aber wir bleiben am Ball. Ehrenwort.

Den renommierten Walther-Bensemann-Preis gewann seit 2006 genau eine Sportlerin: Nationalspielerin und Trainerin Silvia Neid. Nun kann es ja sein, dass die Messlatte fast unerreichbar hoch gelegt wurde, als die Fußball-Akademie den mit 10 000 Euro dotierten Preis vor 17 Jahren zum erste Mal an Franz Beckenbauer vergab. Aber seit 2023 nur eine Frau auf dem Thrönchen? Da ginge doch mehr.

Wer das kicker-Sonderheft zur Frauen-Fußballweltmeisterschaft 2023 gelesen hat, konnte viel über Spielerinnen lesen, die dafür eintreten, den „Fußball über das Spiel hinaus als kulturelles, historisches, soziales und politisches Phänomen zu begreifen“. Damit beschreibt die Akademie für Fußball-Kultur den Walther-Bensemann-Preis. Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg kickte als alleinerziehende Mutter, heute setzt sie sich dafür ein, dass die Spielerinnen Muttersein und Leistungssport zusammenkriegen. Nationalspielerinnen können zum Beispiel ihre Kinder mitbringen in Trainingslager und zu Turnieren.

Kathrin Müller-Hohenstein (li.) moderierte die Fußball-Gala, Lea Paulick vertrat den Frauenfußball und CSU-Politikerin Julia Lehner tat der Aufstieg der Club-Frauen einfach gut, so unter uns Frauen. Foto: Möller

Es ist ja ein Skandal, dass die Fifa zwar seit 2021 Mutterschutzregeln vorschreibt und professionelle Fußballerinnen einen Anspruch auf einen Mutterschaftsurlaub von mindestens vierzehn Wochen haben, das aber nur eine Minderheit der Vereine umsetzt. Als mir das Birgitt Glöckl, die Leiterin der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur, erzählte, mochte ich es nicht glauben.

Endlich mal ausreichend Geld verdienen mit dem Kicken

Vereine kündigen Spielerinnen, wenn sie schwanger werden, sie zahlen ihnen nicht mal das ohnehin lächerlich niedrige Gehalt, wenn sie nach der Geburt pausieren. Doch immer mehr Spielerinnen wehren sich. Auch in Deutschland. Verteidigerin Kathy Hendrich und Nationalspielerin Lina Magull fordern, dass Kickerinnen endlich zumindest so viel Geld, bekommen, dass sie nicht noch nebenbei arbeiten müssen. Für die Männer in der Branche ohnehin eine unvorstellbare Debatte.

Wobei – unvorstellbar stimmt natürlich nicht. Sie wissen ja, wie es läuft im Profi-Fußball. Natürlich spielt der Frauenfußball nicht so viel ein wie die Männerligen. Aber faire Arbeitsbedingungen müssen trotzdem drin sein. Dafür haben sich männliche Vereinschefs, Trainer und Funktionäre einfach einzusetzen.

Es wäre cool und definitiv angesagt gewesen, im Jahr der Frauen-WM diese Themen bei der Preisverleihung der Deutschen Fußballakademie zumindest zu streifen. In dem Jahr, in dem der Zwangskuss von Spaniens Fußball-Präsident Luis Rubiales auf den Mund der Spielerin Jennifer Hermoso bei der WM-Siegerehrung Monsterwellen geschlagen hat. Die Fifa hat jetzt entschieden, dass der frühere spanische Verbandschef drei Jahre keine Fußball-Tätigkeit ausüben darf.

Erfolg zum Wohlfühlen – und dann?

Doch Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein und die Nürnberger Kulturreferentin Julia Lehner streifen da bei Fußball-Gala in der Tafelhalle gar nichts. Als die Torhüterin des 1. FC Nürnberg, Lea Paulick, auf die Bühne kommt, sagt CSU-Politikerin Lehner zum Aufstieg der Club-Frauen in die erste Liga: „Es tut gut unter uns Frauen, dass wir da so durchmaschiert sind.“ Erfolg als Wohlfühlprogramm unter uns Frauen – das ist ja eine gern eingenommene Erzählhaltung. Tut wohl und keinem weh.

Müller-Hohenstein empfiehlt, sich den Film „Mutig bis zum Schluss“ über die Clubfrauen anzuschauen. Lea Paulick erzählt dann, dass es mit nichts auf der Welt zu bezahlen sei, wenn Kinder ein Paulick-Trikot tragen und Mädchen zu ihr und ihren Teamkolleginnen sagen, dass sie der Grund seien, warum sie jetzt auch kicken. Vorbilder sind eine starke Sache. Sie motivieren, aber für Veränderung braucht es mehr.  Jetzt müssen die Clubs mehr investieren in den Mädchenfußball.

Paulick beschwört wie später der diesjährige Walther-Bensemann-Preisträger Karl-Heinz Körbel die Aura, ohne die Fußballmärchen schwerlich funktioniert: Kicken geht nur mit Leidenschaft und Charakter, einer Prise Selbstaufgabe, dem Einstehen für das Team und mit Moral. Charly Körbel sagt mit Blick auf die aktuelle Fußball-Kultur: „Die Spieler heute verdienen alle ein Schweinegeld, aber wir haben damals die bessere Zeit gehabt.“ Körbel spielte für Eintracht Frankfurt seit den 70er Jahren in 602 Partien. Ein einsamer Rekord.

Felix Müller will den Chemnitzer FC nicht den Faschos überlassen und kämpft für ein Stadion, in dem alle willkommen sind. Der FC schaut bisher weg, der Preis für die Fans aber macht die unerträgliche Haltung des Vereins öffentlich. Gut so. Foto: Möller

Wie es sich anfühlt, angesichts rechtsradikaler Fans gefährlich einsam dazustehen und trotzdem dagegen zu halten – damit haben die „CFC-Fans gegen Rassismus“ aus Chemnitz reichlich Erfahrungen gemacht. Sie bekamen in der Tafelhalle den easyCredit-Fanpreis. So sehr zu Recht, dass ich gar nicht weiß, welchen guten Grund ich zuerst nennen soll.

Nur mit Angst ins Stadion? In Chemnitz geht das vielen so

Gegründet hat sich die Faninitiative gegen Rechts, als 2019 im Stadion des Chemnitzer FC eine Trauerfeier für einen stadtbekannten Neonazi und Hooligan stattfand. Und der Verein nichts dagegen unternahm. „Wir wollten nicht länger einfach hinnehmen, wie auf der Südtribüne in Chemnitz mit Menschen gesprochen wurde, die eine andere Religion, Herkunft, Hautfarbe oder sexuelle Ausrichtung haben“, erzählt Mitgründer Felix Müller, der den Preis entgegennahm. Bis heute könne es lebensgefährlich sein, ins Chemnitzer Stadion eine Regenbogenfahne mitzunehmen. Der Chemnitzer FC biete wenig bis gar keinen Schutz gegen Faschos im Stadion. Rückhalt für die Initiative: Fehlanzeige.

„Wir hoffen auf den neuen Vorstand“, sagt Felix. Er persönlich kann nicht mehr ins Stadion zu den Spielen des Chemnitzer FC gehen, weil er um seine Sicherheit fürchten muss. Nur wenn ein Sponsor ihm die Sicherheit des VIP-Bereichs öffnet, geht er hin.mDer easycredit-Fanpreis sorge für Öffentlichkeit, das sei gut. „Jetzt kann der Verein nicht mehr wegsehen.“

Ein starkes Rückgrat, das braucht es jetzt!

Die Gala der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur haben Fans gegen Rechts aus mehreren Städten genutzt, um sich zu vernetzen. Das war möglich, weil die Akademie anders als sonst üblich alle nominierten Initiativen eingeladen hatte.

Das finde ich ein gutes und wichtiges Signal: Fans, Preisjury und die Akademie halten zusammen gegen Rechts. Fußball ist Teil der Gesellschaft und ihrer Kultur: Wenn Faschos in Parlamenten sitzen, sich Fans nicht in ihr Stadion trauen, dann gilt es tatsächlich, auf die guten-alten Fußballwerte zu setzen. Anstand, Zusammenhalt, ein starkes Rückgrat, Mut und Leidenschaft: Die braucht es jetzt. Auch mit Blick auf die Ungerechtigkeiten für Frauen im Fußball. Liebe Akademie für Fußball-Kultur, hier ein starkes Netzwerk zu knüpfen, das wär`s doch.

Sehen wir uns beim nächsten Heimspiel der Club-Frauen in Nürnberg? Foto: Möller