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Sah ich damals wie ein Fräulein aus? Ich finde definitiv nicht!

Ute Möller
11.01.2022
Lesezeit: 3 Min.

Fräulein, ab in die Bumsbude!

Vor 50 Jahren strich das Innenminsterium das Fräulein aus amtlichen Dokumenten. Es hielt sich trotzdem, gemocht habe ich es nie.

Jahrestage, Jubiläen – über sie zu schreiben ist nicht gerade originell. Tun ja dann oft viele. Und wer’s einmal gelesen hat, dem reicht’s dann meistens. Aber als ich heute Morgen mitbekam, dass vor 50 Jahren das „Fräulein“ fiel, bekam ich Lust nachzudenken.

Über die Geschichte der Verniedlichungsform, die ich immer schrecklich fand. Schon als Kind, wenn mein Opa, den ich über alles liebte, der aber naturgegeben einer anderen Generation angehörte, die Bedienung in der Gaststätte mit „Fräulein, zahlen!“ an unseren Tisch rief. Da war innerliches Ducken angesagt.

Ich kann mich gar nicht erinnern, ob zu mir mal wer „junges Fräulein“ gesagt hat. Wahrscheinlich ist es, bin ich doch erst eineinhalb Jahre alt gewesen, als am 16. Januar 1972 das Bundesinnenministerium unter – tatsächlich – Hans-Dietrich Genscher per Erlass festlegte, dass der Gebrauch des Wortes „Fräulein“ in Bundesbehörden zu unterlassen und als Anrede erwachsener weiblicher Personen „Frau“ zu verwenden sei.

Das Fräulein war nicht klein zu kriegen

Damit war die Sache aber nicht vom Tisch, wie gesagt: Kellnerinnen blieben für Gäste oft die Fräuleins. Und Mädchen häufig auch. Fräulein war wie „junge Dame“ nicht klein zu kriegen. Und oft lieb gemeint. Bei meinem Opa sprach daraus der Stolz aufs Unvermeidliche – dass ich wuchs und wohl auch vernünftiger und klüger wurde.

Ich wusste nie, wie ich reagieren sollte, wenn das Fräulein mal im Raum stand. Irgendwie fühlte ich mich in ihrer Gegenwart unwohl, egal ob ich gemeint war oder eine andere junge Frau. (Wenn die Kellnerinnen nicht mehr jung waren, sollten sie die Anrede glaube ich als Kompliment verstehen, so im Sinne von: Gut gehalten, da wollen wir mal ein Auge zudrücken und großzügig noch das Fräulein-Prädikat vergeben.)

Ich habe heute auch gelesen, woher die Kombi Kellnerin-Fräulein eigentlich kommt. Ich hätte nie gedacht, dass sie ein respektables historisches Fundament vorzuweisen hat. Hat sie aber wohl. Denn im späten 19. Jahrhundert hießen alle Frauen Fräulein, die arbeiten gingen. Egal ob als Kellnerinnen, als Verkäuferinnen oder Lehrerinnen. Sobald sie heirateten, war es vorbei mit dem Fräulein und der Berufstätigkeit. Frau wurde endlich zur Frau – eines Mannes, der laut Bundesgesetz der Gattin die Arbeit untersagen durfte, wenn er das für angesagt hielt.

Sei mal artig!

Ab 1955 galt immerhin für Bundesbehörden der Erlass, dass jede unverheiratete Frau, die dies wünschte, im „amtlichen Verkehr“ als „Frau“ zu bezeichnen sei. Sie musste dies allerdings erkennbar und aktiv äußern. Sonst blieb sie ein Fräulein.

In den 60er Jahren und im Zuge der Frauenbewegung wurde das Fräulein dann Sinnbild dafür, dass viele Männer Frauen gern klein und niedlich finden, weil sie so nett und artig bestimmt nicht mitentscheiden wollen. Das Bundesinnenministerium kündigte schließlich am 16. Februar 1971 auf einer Pressekonferenz mit Frauenverbänden eine Änderung der amtlichen Regeln an. Aber erst ein Jahr später galt die dann auch. Vorher musste nämlich unter anderem noch geklärt werden, ob die geplante Altersgrenze, wonach nur Frauen ab 18 Jahren automatisch auch in amtlichen Dokumenten Frauen sind, tatsächlich im Erlass stehen soll. Man verzichtete dann darauf.

Dass das Fräulein aber auch in den letzten 50 Jahren nicht kleinzukriegen war, kann man bedauern. Ich tue das. Umfragen zufolge wollten noch Anfang der 80er Jahre über die Hälfte der ledigen Frauen gern mit Fräulein angesprochen werden.

Und 2008 befragte das Institut für Demoskopie Allensbach Deutsche, wie akzeptabel sie das Fräulein finden. 47 Prozent gaben an, Fräulein selbst zu verwenden. 44 Prozent sagten aus, sich am Fräulein zumindest nicht zu stören. Lediglich 7 Prozent empfanden das Wort ärgerlich oder abstoßend.

Fräulein Kacktusse

Mittlerweile ist das Fräulein auch bei Unternehmerinnen wieder salonfähig. Es gibt fast kein weibliches Business, das nicht ein Fräulein im Titel führen kann. Wer im Netz sucht, der findet Geschenkmanufakturen, Coachinnen, Bäckerinnen mit Online-Auftritt, Restaurantbesitzerinnen, Winzerinnen und Papierkunstanbieterinnen, die sich Fräulein Sowieso nennen. Meistens sind die Seiten nett, pastellig, freundlich und ja – mädchenhaft.

Ich war ganz froh, als ich dann heute noch Fräulein Heiligenscheiss gefunden habe. Die verkauft online Tassen mit klaren Worten drauf: Kacktusse, Fotze, Ficken Sie sich. Das ist nur eine kleine Auswahl. Mir gefällt die Idee, dass das Fräulein mal so richtig abgeht. Fickt, die Sau rauslässt, ihr Ding macht und dabei ganz sicher nicht süß aussieht. Klar sagt, was sie will.  Kann Sinn machen, wie wir wissen. Also ab mit dem Fräulein ins pralle Leben. Wie sagt es Fräulein Heiligenscheiss? „Was ist denn das für eine beschissene Bumsbude hier?“