Das erste Mal zu Besuch auf der herCAREER in München, habe ich an Messeständen nachgefragt. Wie sieht es bei Euch im Unternehmen mit Gleichstellung aus? Wenn nicht so gut, woran liegt’s? Ein paar Learnings kamen dabei heraus.
Am Stand der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Bayerischen Hochschulen – ein sperriger Begriff für ein Gremium mit einem wichtigen Ziel: Mehr Frauen auf die Professuren in Bayern zu hieven. Aktuell liegt der Frauenteil dort bei 30 Prozent. Statista urteilte in diesem Jahr mit Blick auf die Hochschulen: „Auch die Männerdominanz selbst ist ein Grund und kann abschreckend wirken, eine Gleichstellung von Frau und Mann scheint nicht in Sicht.“

In den nächsten Jahren gehen rund 30 Prozent der Profs in den Ruhestand, erzählt Linda Misch von der OTH Regensburg. Die LaKoF Bayern will Frauen jetzt gut positionieren, um bei den Neubesetzungen mehr Diversität herzubringen. Für Frauen auf dem Weg zur Professur an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften gibt es spezielle Förderprogramme. „An einer HAW braucht es keine Habilitation, das wissen viele aber nicht“ sagt Linda Misch. Trotzdem sei es nicht einfach, Fachkräfte aus der Wirtschaft für die Angewandte Wissenschaft abzuwerben.
Umgehört auf der herCAREER
Prof. Dr. Elke Wolf arbeitet seit 2005 an der Hochschule München, ist Professorin für Volkswirtschaftslehre und stellvertretende Frauenbeauftragte. Sie hat einige Zeit auf einer halben Stelle gearbeitet und drei Kinder großgezogen, „trotzdem wurde ich nicht aufs Abstellgleis geschoben.“ Was damit zusammenhänge, dass an einer HAW vor allem gelehrt und weniger geforscht wird. „Lehre in Teilzeit funktioniert gut, Forschung weniger, weil man da für sein wissenschaftliches Team mitverantwortlich ist“, meint Elke Wolf.
Also alles auf dem besten Weg? Bei weitem nicht. „In vielen Berufungskommissionen ist der Auftrag noch nicht angekommen, mehr Frauen für Professuren zu gewinnen und sie auf dem Weg dorthin zu bestärken.“ Während Wirtschaftsunternehmen Frauenförderung zumindest als Imagefaktor immer häufiger für sich entdeckten, hinkten Hochschulen noch hinterher. „An Unis findet sich noch oft die Haltung: Die Guten schaffen es schon irgendwie nach oben, aber tatsächlich ist das an Hochschulen noch sehr abhängig von den Leitungen und viele sind eben sehr patriarchalisch.“
Zum Ende des Gesprächs kommt von Elke Wolf noch dieser Mutmacher: „Bei Bewerbungen für Leitungsposten liegt der Frauenanteil an Hochschulen zwar nur bei 20 Prozent, bei den Berufungen machen Frauen dann aber zwischen 30 und 40 Prozent aus.“ Männer müssten häufiger aussortiert werden, weil sie sich auf Posten bewerben, für die sie gar nicht die Qualifikation mitbringen. „Frauen kommen oft mit mehr Kompetenz.“

Ich komme bei Alexander Spanic vorbei, der bei Transnet BW für Personal verantwortlich ist. Stromtrassen sind der Auftrag des Stuttgarter Unternehmens, das auch am Südlink durch Bayern mitarbeitet. Ich spreche mit Alexander Spanic über eines meiner Lieblingsthemen: Wäre es nicht gut, wenn Unternehmen sehr deutlich kommunizieren und einfordern würden, dass der Unterricht in den MINT-Fächern besser wird und zwar ganz speziell für die Mädchen? „Klar wäre das wichtig, aber wenn ich zehn Schulen anspreche und mit ihnen ein Projekt machen möchte, melden sich acht erst gar nicht zurück.“ Der Weg zu den Verantwortlichen im Bildungsministerium sei noch viel, viel weiter.
Der Fachkräftemangel hat auch Transnet BW erreicht Kein Wunder, wenn schon an den Ausbildungsstätten nicht mehr genug junge Leute ankommen. In der Elektrotechnik zum Beispiel kriege nicht nur die Hochschule Stuttgart die Studienplätze gar nicht mehr voll. „Auch im IT-Bereich finden wir schwer Leute“ sagt Spanic. Was auch hier damit zusammenhänge, wofür Mädchen erzogen werden. Carearbeit statt Computer – „da muss sich dringend was ändern.“
Die Bundeswehr ist bei der herCAREER mit zwei großen Ständen vertreten. Das Heer sucht dringend Leute, das dürfen auch gerne Frauen sein. Eine 27-jährige Soldatin aus Dillingen, die mir ihren Namen nur nach Rücksprache mit ihrer Standleitung sagen dürfte, worauf wir dann aber verzichten, erzählt: Der Frauenanteil bei der Bundeswehr liege bei 13 Prozent, bei den Kampftruppen deutlich darunter, im Sanitätsdienst deutlich drüber, bei rund 50 Prozent. Vereinbarkeit von Dienst und Familie, die Zusammenarbeit von Frauen und Männern – alles super, findet sie. Am Messestand der Bundeswehr ist kein Platz für kritische Zwischentöne.

Die Firma Bosch hat nicht nur HR-Leute mit zum Stand gebracht, sondern auch Mitarbeiterinnen aus Fachabteilungen. Lena Schmitt arbeitet an der Schnittstelle von IT-Sicherheit und -Infrastruktur. „Ich habe viele männlichen Kollegen, der Frauenanteil liegt weit unter der Hälfte.“ Nach drei Jahren im Job brauche sie aber keinen Mann mehr, der sie unterstützt. Sie habe gelernt, sich durchzusetzen, ihre Chefin fördere sie.
Gleichstellung bleibt ein Kampf
„Grundsätzlich ist im Unternehmen die Offenheit für Frauen in verantwortlichen Stellen und männerdominierten Bereichen vorhanden, aber einfordern muss das jede Frau schon für sich“, sagt Lena Schmitt. Einfluss werde Frauen nicht geschenkt und es brauche Vorreiterinnen in höheren Führungsebenen, die sich dort breit machen und für andere Frauen den Weg bereiten.
Ich komme auch am Stand einer IT-Firma aus der Schweiz vorbei, die einen Frauenteil von 20 Prozent hat. Die Eidgenossen sind auch nicht weiter als wir. Bei der Autobahn GmbH des Bundes arbeiten 40 Prozent Frauen. Angeblich steigt der Anteil bei den Straßenwärtern* leicht an – aktuell lernen drei weibliche Azubis, wie man Autobahnen baut und repariert.

Nicht abschrecken lassen, kämpfen, gesellschaftliche Erwartungen nicht als erdrückend empfinden, sondern Widerspruch in persönliche Motivation ummünzen: So in etwa lautet Lena Schmitts Rat an die Frauen. Es bleibt anstrengend und von selbstverständlich gelebter Gleichstellung weit entfernt. Feminismus ist keine Revolution und Empowerment im übrigen ein gutes Geschäft. Es wäre nur gut, wenn sich all das, was Frauen darauf einzahlen, auch mal auszahlt.