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Meine Ziele haben sich nicht geänderrt: Jetzt wird Flamingo und Dosenbier noch politischer.

Ute Möller
27.10.2023
Lesezeit: 5 Min.

Durchschlafen, um durchzustarten

Rechtsruck in Bayern, ein mutloser Koalitionsvertrag und ich sitze nicht im Landtag. Das Fazit: Flamingo und Dosenbier wird noch politischer.

Die bayerischen Landtagswahlen sind schon wieder drei Wochen her, aber ich bin noch dabei, meine Zeit als Grüne Kandidatin für mich aufzuarbeiten. Denn egal, was alle Nichtgewählten jetzt offiziell sagen: Nach dem Wahlkampf ist nicht vor dem nächsten Wahlkampf. Und nicht jede hat sofort Lust, endlich ein Buch zu schreiben oder auf andere Weise das eigene Ego zu streicheln, wie es der gescheiterte FDP-Landtagskandidat Sebastian Körber den Nürnberger Nachrichten jetzt haltlos eitel in den Block diktiert hat.

Ich war nach dem Wahlkampf vor allem müde und befand mich außerdem in einem Zustand latenter Dauerwut, was den Wunsch, endlich wieder auszuschlafen, heftig torpedierte. Denn, welche Überraschung, natürlich hatte ich auf Wahlkampfpodien auch mit Mansplainern gesessen, die mich tendenziös abmoderierten. Ich saß neben männlichen Kandidaten anderer Parteien, die mich mit passiv-aggressiven Statements von oben herab wegzulächeln versuchten und bewusst nicht hörten, was ich gesagt hatte. Ich stand an Wahlkampfständen und musste eigene Parteikollegen darum bitten, auch meine Flyer zu verteilen. Was keine Selbstverständlichkeit ist. All das musste ich erst mal einordnen und innerlich wegsortieren.

Ziele nicht aufgeben

Zugleich gebe ich ja meine politischen Ziele nicht auf, nur weil ich nicht in den bayerischen Landtag gewählt wurde. Im Gegenteil, meine Motivation, Dinge zu verändern, ist größer denn je. Zumal ich ein echt gutes Ergebnis eingefahren habe.

So viele Menschen haben mir ihre Stimme gegeben und ich bin dafür sehr dankbar. 8456 waren es in meinem Stimmkreis im Nürnberger Westen und 6976 Wählende gaben mir im restlichen Mittelfranken ihre Zweitstimme. Über 15400 wollten mich im Landtag sehen – das ist großartig und macht mich ungemein stolz.

Und es gibt mir die Energie, weiterzumachen. Zuallererst als Journalistin. Flamingo und Dosenbier soll politischer werden.

Gegen Rechts, für Feminismus und Gleichstellung.

Mutloser Koalitionsvertrag

Gegen den Stillstand, für den der druckfrische Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern auf fast 90 Seiten viele verbale Schnörkel und lauwarme Worte ohne Ziel und oft ohne Verstand gefunden hat.

Es bereitet fast schon eine Art pervertierter Freude, im Koalitionsvertrag nach dem Wort „Frau“ zu suchen, weil man natürlich zumindest sehr deutlich ahnt, dass da wenig zu finden sein wird.

In genau drei Sätzen geht es um Frauen.

Satz 1: „Außerdem werden wir die Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Karrieren von Frauen verbessern.“

Kein Wort zum Wie und bis wann.

Satz 2: „Jede Person, die Gewalt gleich welcher Art erfahren hat, soll schnell und unkompliziert Hilfe und Unterstützung erhalten. Hierfür setzen wir konsequent das Konzept „Bayern gegen Gewalt“ um und stärken es, insbesondere im Bereich geschlechtsspezifischer Gewalt, etwa Frauenhäuser.“

Heißt das, Frauenhäuser werden finanziell besser ausgestattet und die Plätze ausgebaut? Nein, das heißt erst einmal gar nichts. Klare Ziele – Fehlanzeige.

Satz 3: „Die Marke Bayern werden wir weiter stärken. Hierzu entwickeln wir die bayerischen Gütesiegel und Herkunftsbezeichnungen fort. Die große Bedeutung der Hauswirtschaftlichen Dienstleistungen für die Gesellschaft und der Landfrauen für Landwirtschaft und Gesellschaft werden wir dabei besonders herausstellen.“

Landfrauen halten die Küche warm

Frauen in Bayern sind Landfrauen und es ist ihre Rolle, deftig zu kochen und den Platz in der (Groß-)Küche für die bayerischen Mädels warm zu halten.

Rührt man diese rückwärtsgewandte, konservative Politik der bayerischen Regierung, die in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich das Selbstbestimmungsgesetz des Bundes ablehnt und einen queeren Aktionsplan für Bayern nicht erwähnt, zusammen mit dem Rechtsruck, kann einem unter all dem weiß-blauen Leuchten über Bayern himmelangst werden.

Auch sehr nette Vierbeiner habe ich zuweilen im Wahlkampf getroffen. Auch sie hätten ganz sicher etwas dagegen, dass die Politik in Bayern immer mehr auf den Hund kommt. Foto: Möller

Die AfD ist drittstärkste Fraktion im Landesparlament. Während sich CSU und Freie Wähler noch gegenseitig als „mädchenhaft“ (Wer will schon ein Mädchen sein in Bayern?) und „pubertär“ beschimpfen und sich die Deutungshoheit im konservativen Lager und die Ministerposten streitig machten, rieb sich die AfD die Hände in der Vorfreude auf Vorsitze in Landtagsausschüssen.

Dass im neuen Landtag außerdem noch weniger Frauen sitzen als in der letzten Legislaturperiode, trägt zu meiner Fassungslosigkeit extrem bei.

Dafür bin ich, dafür sind viele Frauen und auch einige Männer, nicht losgegangen.

Weniger als ein Drittel Frauen sitzen im Landtag

Der Frauenanteil beträgt nicht mal ein Drittel: 152 Männer sitzen im Landtag, 51 Frauen. Grüne und SPD stellen die meisten Politikerinnen in ihren Fraktionen. Freie Wähler mit sieben von 37 Abgeordneten und die AfD mit drei von 32 die wenigsten, bei der CSU sieht es kaum besser aus.

Dass die AfD-Kandidatin in meinem Stimmkreis mit einem hauchdünnen Vorsprung an Stimmen vor mir liegt, kotzt mich ehrlich gesagt an. Ich will es nicht anders audrücken. Die Hitler-Verehrerin, die 2017 Führer-Bilder in einer Whatsapp-Gruppe postete, hat mit Sicherheit keine Lösungen für die sozialen Probleme der Menschen im Westen Nürnbergs. Der Protest in der Wahlkabine wird nichts besser machen.

Ganz sicher sind Wein und Angst nicht die richtige Antwort auf den politischen Rechtsruck. Für einen netten Abend taugte das Restaurant in Leipzig aber sehr wohl. Foto: Möller

Im Gegenteil.

Ich kann verstehen, dass Menschen die Nase voll haben von einer Politik, die aus ihrer Sicht nichts für sie tut. Über Forderungen an die Politik, über notwendige Veränderungen, lässt sich fair streiten, über Gefühle kaum. Das ist ein Problem.

Mir haben Menschen im Wahlkampf hinterhergerufen, dass sie eh die AfD wählen, und es klang wie ein verbaler Stinkefinger für das politische Establishment.

Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Ihre Grundwerte müssen jeden Tag gelebt und verteidigt werden. Von uns allen ganz persönlich und von den demokratischen Parteien. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Eine Partei, die hetzt, die Menschen ausschließt, die ihnen das Recht auf Teilhabe und auf die Suche nach dem gelingenden Leben abstreitet, ist nicht Teil unserer demokratischen Gesellschaft. Diese muss achtsam sein und widerständig.

Politik aus dem Sitzsack reicht nicht

Zugleich müssen Politikerinnen und Politiker auch dort hingehen, wo die Menschen leben, die sie nicht gewählt haben. Politik aus dem bequemen Sitzsack im eigenen Milieu macht keinen Sinn. Hat nie einen gemacht.

Leider haben in Nürnberg besonders viele junge Frauen gar nicht gewählt, deutlich weniger 18- bis 25-Jährige als 2018 haben abgestimmt.

Ich hatte mit meiner Video-Aktion vor dem „Flamingo und Dosenbier Goes Landtag“-Plakat an der U-Bahnstation am Nürnberger Plärrer zusammen mit einflussreichen Frauen aus der Region voller Hoffnung dazu aufgefordert, die Landtagswahl zu einer feministischen zu machen. Um endlich Chancengleichheit in Bayern zu erreichen.

Lasst uns jetzt : Gemeinsam dranbleiben. Dagegenhalten. Zusammenhalten.

Es ist leider nach der Landtagswahl in Bayern nicht leichter geworden.

Aber nach durchgeschlafenen Nächten und mit nicht nachlassendem Willen für Veränderung bewegen wir was.

Davon bin ich überzeugt.

Rechtsruck in Bayern, ein mutloser Koalitionsvertrag und ich sitze nicht im Landtag. Das Fazit: Flamingo und Dosenbier wird noch politischer.  (Mehr...)
Ein Foto aus meiner Serie „Schaufensterbilder“, aufgenommen „Auf AEG“ in meinem Stimmkreis als Grüne Landtagskandidatin.