Ein Mann will uns den Feminismus erklären? Echt jetzt? Robert Franken, der witziger Weise tatsächlich in Nürnberg geboren wurde und in Franken aufwuchs, kennt die Kritik. Ist er als Speaker zu Gast bei einer feministischen Veranstaltung, stehen Frauen schon mal auf, weil sie einem Mann nicht zuhören wollen. Franken, der Labels nicht mag und sich, wenn überhaupt, Pro-Feminist nennt, versteht das. Doch es tut seiner Leidenschaft für das Thema keinen Abbruch. Der Wahl-Kölner wünscht sich eine inklusive Gesellschaft, die allen Menschen Teilhabe ermöglicht. Letztlich ist für den Pro-Feministen, der auf Twitter über 8400 Follower erreicht und sich regelmäßig in seinem Blog Digitale Tanzformation zu Wort meldet, die Genderdebatte der Nukleus eines gesellschaftlichen Prozesses. Und den treibt er auch auf europäischer Ebene voran, indem er sich länderübergreifend für Feminismus einsetzt.
Herr Franken, ihr Credo lautet: Männer, die sich nicht für gerechtere Strukturen einsetzen, sind Teil des Problems. Das klingt erst mal technokratisch. Hatte ihr Einsatz für den Feminismus auch einen persönlichen Antrieb?
Robert Franken: Ich konnte nie neben Alphamännern performen und habe mich gefragt, ob das an mir liegt oder am System. Als junger Mann war ich unsicher, wie ich auf die Rollenerwartungen der Gesellschaft reagieren soll und später im Job geriet ich wie viele in die Spirale aus immer mehr Arbeit und Druck. Vor der Geburt meines Sohnes vor über fünf Jahren zog ich dann die Reißleine und machte mich selbständig. Ich wollte einfach in einer gesunden Balance aus Erwerbs- und Carearbeit leben.
Sie waren vor Ihrer Selbständigkeit CEO bei chefkoch.de und davor haben Sie urbia.de, eine große Online-Plattform für Familien, mit aufgebaut. Das hört sich doch ziemlich nach Alphatier an.
Ich wollte mich schon anpassen und funktionieren und tat das auch bis zu dem Moment, in dem es mir immer schlechter ging. Viele Männer leiden unter dem System, das auf sie noch mal anders Druck ausübt als auf Frauen. Und in ausweglosen Lagen kennen Männer eben nur die Einbahnstraße aus Aushalten und Weiterlaufen. Ich wollte das aber nicht mehr.
Wer nicht im Job buckelt, hat nichts geleistet
Sie haben sich selbständig gemacht und beraten Firmen zu den Themen Transformation, Strategie und digitaler Wandel. Wie sieht Ihre Balance aus Job und Familie derzeit aus?
Grundsätzlich teilen sich meine Partnerin und ich die Familienarbeit, die Mental Load liegt je zur Hälfte bei ihr und bei mir. In der Praxis fällt die Verteilung immer mal unterschiedlich aus. Je nachdem, wie wir gerade beruflich gefordert sind. Ich finde es ausgesprochen sinnhaft, etwa das Klo zu putzen oder einzukaufen, auch wenn es mir nicht immer Spaß macht. Aber der Familienarbeit und dem Job den gleichen Stellenwert beizumessen, ist grundsätzlich nicht lustig. Wir sind ja anders sozialisiert und haben gelernt, dass wir an einem Tag, an dem wir nicht der Erwerbsarbeit nachgegangen sind, auch nichts geleistet haben. Die Herausforderung ist es also, grundsätzlich alle Bereiche unseres Lebens gleich wichtig zu nehmen. Die Arbeit genauso wie Familie, gesellschaftliches Engagement und die Selbstfürsorge.
Letztlich vertreten Sie aber auch an dieser Stelle der Diskussion den weißen, mittelalten Mann, dem es finanziell gut geht. Familien aus prekären Verhältnissen sind viel weniger frei in der Aufteilung der Verantwortung für Geldverdienst und Familie. Etwa weil sie nur über die Runden kommen, wenn die Eltern mehrere Jobs übernehmen.
Ich weiß, dass ich privilegiert bin, und ich finde es ein Graus zu sehen, unter welchen Bedingungen Menschen in unserer Gesellschaft zum Teil ihr Leben fristen. Das zeigte sich in der Pandemie noch deutlicher.
Nicht mehr weiße Cis-Frauen und Cis-Männer: Ändert das System
Für Sie geht es beim Feminismus um die Klärung grundsätzlicher Fragen wie der Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit und auf welchen gemeinsamen Sinn hin sich eine Gesellschaft definiert. Letztlich fordern Sie eine Systemänderung und sagen, dass es nicht das Ziel sein kann, statt weißer Cis-Männer weiße Cis-Frauen in die Führungspositionen der Unternehmen zu bringen. Feminismus wird so zur fundamentalen Kritik, die seit Ausbruch von Covid-19 noch deutlicher eine nachhaltig handelnde Gemeinschaft zum Ziel hat. Wie passt für Sie dazu die Forderung nach einer Frauenquote?
Ich habe die Forderung unterstützt, dass in dem zweiten Führungspositionsgesetz der Bundesregierung, gegen das es Widerstände im Kanzleramt und in der CDU gab, eine Quote verankert werden sollte. Auch wenn das aus meiner Sicht nur mehr privilegierte Cis-Frauen in Führung bringt und die Gefahr besteht, dabei den Blick auf das große Ganze zu verlieren
Das wäre?
Unser Systems presst Menschen in Schemata, die ihnen nicht gerecht werden und ihnen schaden. Frauen sind da im Mindset weiter als Männer und akzeptieren weniger, dass mit einer Führungsrolle lange Arbeitstage und ständige Verfügbarkeit einhergehen sollen. Sie wägen ab, ob es ihnen das wert ist und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie sich gegen die Führungsposition entscheiden, weil sie wissen, dass ihnen all das nicht gut tut. Daraus aber abzuleiten, dass Frauen gar keine Verantwortung übernehmen wollen, wie es Männer in Führungspositionen gern tun, geht gar nicht. Wir brauchen ein System, das uns alle weniger unter Druck setzt.
Wie offen erleben Sie Führungskräfte in Unternehmen tatsächlich dafür, bislang marginalisierte Gruppen von Mitarbeitenden gleichberechtigt an den Prozessen zu beteiligen?
Wenn es darum geht, die Organisationskultur einer Firma inklusiver zu gestalten, sehe ich oft Männer, die zu dem Thema gar nicht sprechfähig sind, weil sie bislang nicht darüber nachgedacht haben. Zugleich haben sie das Gefühl, sich auf dünnem Eis zu bewegen. Wenn man ihnen dann noch sagt, dass sie ein Teil des Problems sind, wird es nicht leichter.
Ist bei jüngeren Führungskräften das Interesse an dem Thema größer?
Viele Führungskräfte der etwas jüngeren Generation würden über sich selbst nie sagen, dass sie Frauen benachteiligen. Sie sind geformt durch das System und haben keinen klaren Blick auf sich selbst. Es ärgert sie aber, dass sie kollektiv in die Verantwortung genommen werden für die asymmetrischen Geschlechterverhältnisse, während sie doch gar nicht mehr so stark von diesen profitieren wie die Generation vor ihnen. Männer in Führung haben heute noch nicht den Eindruck, dass sie von dem Diskurs über Diversität profitieren. Im Gegenteil: Sie fürchten einen Statusverlust und schieben das Thema ab, wenn sie eine bestimmte Ebene in der Hierarchie erreicht haben. Gerne auf Diversitybeauftragte, deren Rolle ich deshalb kritisch sehe.
Finden Sie, dass Chefinnen besonders Frauen fördern sollten? Nicht selten wollen Frauen, die es nach oben geschafft haben, genau das nicht tun.
Im Gegenteil. Ich halte es für unlauter, von Frauen in Führung zu erwarten, dass sie Frauen empowern. Sie sind durch die Mühle durchgegangen und haben genug anderes zu tun. Wir können nicht die Frauen dafür verantwortlich machen ein System zu ändern, das von Männern für Männer geschaffen wurde.
„Zu rein männlich besetzten Podien gehe ich nicht“
Wie ist es, als Mann feministisch unterwegs zu sein? Wie oft hören Sie die Kritik, dass Sie als Mann den Frauen den Feminismus erklären wollen?
Immer wieder, und ich halte diese Kritik für berechtigt. Ich überlege tatsächlich sehr genau, was ich wo sage. An rein männlich besetzten Panels beteilige ich mich nicht. Bei einem feministischen Barcamp in Berlin sind Frauen gegangen, als ich gesprochen habe. Ich kann aber vertreten, dass ich dort war, denn mein Fokus war die Frage, wie wir mehr Männer mit ins Boot holen für den Feminismus. Henrik Marstal, mein Co-Founder von Male Feminists Europe, hat mal gesagt, dass er sein Privileg nutze, um genau dieses Privileg zu kritisieren. Das ist für mich eine gute Brücke.
Sie setzen sich mit Male Feminists Europe für eine länderübergreifende Vernetzung männlicher Feministen ein und sind einer der sechs deutschen Botschafter der Solidaritätskampagne HeForShe von UN Women. Ähneln sich die Motivationen der männlichen Feministen in Europa?
Ich kann dazu nur sagen, dass es Muster von Männlichkeitsbildern gibt, die sich gleichen. In östlichen EU-Ländern werden gerade Frauenrechte massiv eingeschränkt, denken Sie an die Abtreibungsdebatte in Polen und das Erstarken der Rechten in Ungarn. Die Rechten tun vordergründig so, als würden sie sich für Frauenrechte einsetzen und versuchen sich damit zu profilieren, dabei geht es ihnen aber nur um vermeintliche Mütterrechte. Es sind vor allem junge Männer, die da ausbrechen.
Sie beraten Unternehmen auch zum Thema Digitalisierung. Es gibt Feministinnen, die im Zuge der Digitalisierung die Chance sehen, mehr Diversität und Gendergerechtigkeit zu erreichen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ich halte es für falsch, pauschal zu postulieren, dass Digitalisierung eine Chance für Frauen ist. Bei der Digitalisierung geht es ja vor allem um Prozessoptimierungen und Effizienz. Darin steckt erst mal wenig Potential, dass marginalisierte Gruppen stärker als bisher zum Zug kommen. Wir müssen vielmehr alle gemeinsam darauf gucken, wem Plattformen, Foren und Apps gehören und wer von Neuerungen tatsächlich profitiert.