Foto: Antonio Leutsch/Unsplash

Hassbild der AfD in Sachsen-Anhalt: das Bauhaus in Dessau.

Ute Möller
24.10.2024
Lesezeit: 5 Min.

Die AfD ätzt – wir machen den Bauhaus-Walk

Die AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt ätzt gegen das Bauhaus – die Designschule, die 1925 von Weimar nach Dessau zog und weltweit wichtige Impulse setzte für Architektur und Kunst. Das Bauhaus sei ein „Irrweg der Moderne“ gewesen, schreibt die AfD in einem Antrag an den Landtag in Magdeburg. Bauhaus-Architektur sei „Einheitsbrei“. Flamingo und Dosenbier hält mit einem „Einheitsbrei“-Spaziergang durch Nürnberg und Fürth dagegen.

„Bausünden“ seien die Entwürfe von Walter Gropius und Mies van der Rohe, wettert die AfD in Magdeburg. Die funktionalen Bauten mit klaren Linien und Flachdach hält sie für „menschenfeindlich“. Aus Sicht der als gesichert extremistisch eingestuften AfD in Sachsen-Anhalt widersprechen sie „traditionellen und kulturell verankerten Vorstellungen von Wohn- und Lebensräumen“. Zudem habe das Bauhaus dem Kommunismus nahegestanden.

AfD sucht den Anschluss

Bauhaus-Architektur sei wie ein „Einheitsbrei“ über die Städte gegossen worden, dabei hätten die Menschen doch viel lieber regionale „kulturelle Vielfalt“. Erstaunlich, dass auf den ersten Blick ausgerechnet die AfD Vielfalt fordert. Das tut sie natürlich gar nicht. Statt Freiheit der (Bau-)Kunst meint sie das Diktat von Zwiebeltürmchen und Gemütlichkeit. Das Biedermeierliche, zu dem es passt, wenn sich die Frau daheim ums Reinehalten kümmert.

Es ist verlockend, diesen verquasten Unsinn zu ignorieren, Widerspruch kam ja auch bereits von der Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, Barbara Steiner. Und Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagte, dass sich die AfD ganz offen in die Tradition der NS-Ideologie stelle. Für die Nazis waren die Werke der Bauhaus-Künstlerinnen und -Künstler „entartet“, 1933 schlossen sie die Schule in Berlin.

Gedankenverbote, Gestaltungsverbote – die Kulturpolitik der AfD fördert Ressentiments. Foto: Möller

Es kann als gesichert gelten, dass sich die AfD nur deshalb öffentlich gegen eine „einseitige Glorifizierung des Bauhaus-Erbes“ ausspricht, um ihre kulturpolitische Deutschtümelei offen zu Tage zu legen. In der Erwartung, dass ihre Klientel eifrig applaudiert, weil sie ein Zurück zur regionaltypischen „Guten deutschen Stube“ nur zu gerne sähe. Dazu passt es, dass die AfD in Sachsen-Anhalt bereits einen neuen Kunstpreis forderte, um „spezifisch deutsche Malerei“ zu fördern. Der Antrag wurde im Landtag abgelehnt.

Auf zum Bauhaus-Walk

Der architektonische „Einheitsbrei“ der Moderne hat in den 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre auch das konservative Bayern erreicht, zumindest die größeren Städte. In Nürnberg ist zwar nicht mehr viel zu sehen von der neuen Sachlichkeit. Doch ein Spaziergang unter dem Motto „Was, auch hier gibt’s die reine Sachlichkeit?“ lohnt sich dennoch. Hier ein Vorschlag für einen Zick-Zack-Kurs durch den „Einheitsbrei“ bis in die Nachbarstadt Fürth:

Los geht es auf den Spuren des deutschlandweit beachteten Planers Otto Ernst Schweizer. In der Karl-Grillenberger-Straße (1) ist das ehemalige Arbeitsamt zu sehen, das nach seinen Plänen zwischen 1926 und 1929 erbaut wurde. Es handelt sich um das denkmalgeschützte Eckgebäude an der Kreuzung mit der Kurt-Schumacher-Straße.

Das Bauhaus in Dessau war ein Feindbild der Nazis – und ist es jetzt für die AfD in Sachsen-Anhalt. Foto: Unsplash

Schweizer galt als Koryphäe des neuen Trends zum Schnörkellosen. Sein Entwurf für den Sportpark mit Stadion in Nürnberg wurde 1928 in Amsterdam mit einer olympischen Goldmedaille geehrt. Zweite Station des Spaziergangs ist also das Max-Morlock-Stadion (2), auch wenn man dem Vorgängerbau von Otto Ernst Schweizer dort nur noch mit Hilfe historischer Fotos nahekommen kann. Das Planetarium, das er für den Rathenauplatz plante, ist sogar spurlos verschwunden. Abgerissen haben es die Nazis.

Von dem Milchhof, der 1931 als modernster Milchhof Europas galt, und der ebenfalls nach Plänen von Schweizer gebaut wurde, steht nur noch ein Verwaltungsgebäude (3), aber immerhin. Also hin zum Areal am Wöhrder See. Den Abriss des wegweisenden Industriekomplexes genehmigte übrigens 2008 die Stadt Nürnberg.

In der Schnieglinger Straße 185, der vierten Station unseres „Einheitsbrei“-Spaziergangs,  errichtete Otto Ernst Schweizer das Johannisheim für Lungenkranke (4). Es ist längst umgebaut zu Lofts, dennoch lohnt sich ein Blick auf die klar gegliederten Gebäude. Es ist erstaunlich, welche kompakte Ruhe Bauten mit dieser reduzierten Formensprache ausstrahlen.

Schönes Wohnen in der neuen Sachlichkeit

Wer dann noch weiterziehen möchte, kann in Nürnberg-Erlenstegen (5) gleich zwei Wohnhäuser von 1928 und 1929 von Otto Ernst Schweizer nebeneinander sehen. Freilich mehrfach umgebaut, lassen die beiden Baudenkmäler in der Hubertusstraße 6 und 8 dennoch deutlich den Stil der Neuen Sachlichkeit erkennen.

Schweizer hatte in Nürnberg nicht nur Anhänger. Viele kritisierten, dass seine Bauten nicht „altstadtgerecht“ seien. Und das, obwohl alle Gebäude bis auf das Arbeitsamt außerhalb der Stadtmauern lagen. Folgerichtig verließ der renommierte Architekt bald Nürnberg, auch um das Praterstadion in Wien zu planen.

Die Frauenklinik in der Flurstraße in Nürnberg, erbaut 1930 und mit schönen Details erhalten. Foto: Möller
Steinfiguren in Mauernischen vor dem Eingang zur Frauenklinik im Kirchenweg. Foto: Möller

Weiter geht es zur Frauenklinik (6) in der Flurstraße 7. Das Baudenkmal wurde 1930 nach Plänen von Robert Erdmannsdorffer erbaut. Hübsche Reliefs, die Sternzeichen darstellen, und Kinderfiguren aus Stein, eingelassen in Mauernischen vor dem Eingang im Kirchenweg, stammen aus der Bauzeit erhalten.

Es ist zwar kein Katzensprung, aber weiter geht es zum ehemaligen Umspannwerk in der Geisseestraße 39 in Schweinau (7). Geplant von Walter Brugmann 1926, ist es ein schönes Zeugnis für eine neu genutzte neuen Sachlichkeit.

Und jetzt ab über die Stadtgrenze nach Fürth. In der Würzburger Straße 51 steht das ehemalige Haus Hirschmann (8). Der denkmalgeschützte zweigeschossige kubische Flachdachbau wurde nach Plänen des jüdischen Architekten Fritz Landauer von 1930 bis 1931 erbaut. Landauer floh später mit seiner Familie vor den Nazis nach England.

Ein Löwe brüllt vor der alten Frauenklinik in Nürnberg.Foto: Möller

Auch Künstler des Bauhauses und Vertreter der Neuen Sachlichkeit machten sich mit den Nazis gemein. Wie zum Beispiel Hermann Herrenberger, nach dessen Plänen 1931 das Fürther Städtische Klinikum (9) erbaut wurde. 1938 trat Herrenberger der NSDAP bei, nach dem Krieg wurde er als Mitläufer eingestuft.

Nach der neunten Station ist der Bauhaus-Spaziergang erst mal beendet. Aber wer noch Vorschläge für weitere Stationen hat – nur her damit. Zum Karl-Bröger-Haus hinter dem Nürnberger Hauptbahnhof könnte man zum Beispiel auch noch hinschauen…

Neuordnung der Kunst – zulassen dürfen wir das nicht

Die Geschichte des Bauhauses ist vielfältig, ihre Widersprüche und auch die Nähe einiger Vertreter zur Nazi-Ideologie werden seit geraumer Zeit wissenschaftlich aufgearbeitet. Auch von der Stiftung Bauhaus Dessau. Diesen kritischen und weiten Blick auf die Historie des Bauhauses lautstark zu fordern, wie es die AfD in Sachsen-Anhalt jetzt tut, ist also auf jeden Fall überflüssig. Im Falle der extremen Rechten ist diese Forderung zudem populistisches Kalkül. Es geht ihnen um eine Neuordnung der Kunst in den Grenzen der NS-Ideologie. Zulassen dürfen wir das nicht.