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Die pinkfarbene Fahne vor dem Nürnberger Künstlerhaus ist keine Telekom-Werbung, sondern soll für Diversität stehen.

Ute Möller
13.03.2024
Lesezeit: 6 Min.

„Der Name Künstlerhaus steht nicht zur Disposition“

Interview mit Direktor Michael Bader darüber, warum Gendern kein Thema ist

Nö, es ist nicht weltbewegend. Lassen wir das Künstlerhaus in Nürnberg doch das Künstlerhaus sein. Müssen wir da jetzt auch noch mit der Gender-Brille draufschauen? Ach, nö! Oder: Ach, doch!

Für alle Nicht-Nürnberger*innen: Das Künstlerhaus in der Königstraße in Nürnberg ist eine Institution. Für alternative Kunst, Politik von unten, die bewegt und aufregt. Für Subkultur und Lust an Veränderung. 1910 eröffnet, war es in den 60er Jahren Partyraum für bunte politische Debatten und ja, für Feminist*innen. Das Künstlerhaus bot Raum für viele Kreative, es hieß auch KOMM und K4.

Seit Jahren wird das Flaggschiff der Kultur von unten und aus der Stadtgesellschaft umgebaut, längst sollte es in neuem Glanz erstrahlen, leider ist es aber immer noch teilweise Baustelle.

Im Zuge des Umbaus hätte es die Möglichkeit gegeben auch darüber nachzudenken, ob der Name Künstlerhaus der veränderten gesellschaftlichen Wirklichkeit noch Stand hält. Inklusiv ist er ja nicht gerade. Während das bei der Gründung der Institution 1910 noch keine Rolle spielte, hat sich da ja doch in der Zwischenzeit ein bisschen was verändert. Das könnte ein Anlass zur Debatte sein, zumal es aktive Vereine in dem Haus gibt, die das Gendern für sich alleine proben.

Ein Banner am Künstlerhaus mit dem Schriftzug "Künst*haus" forderte zur Debatte über den Namen der Kultureinrichtung in Nürnberg auf.
Intervention und Aufruf zur Debatte: Das umstrittene Banner am Künstlerhaus. Foto: oh

Anfang Februar kam es dann zur öffentlichen Intervention: Aktivist*innen hängten über den Eingang des Künstlerhauses ein grünes Banner mit dem Schriftzug „Künstl*haus“, wobei der Stern kein Stern war, sondern eher eine mittig platzierte Sonne. Weil die Aktion am Finissage-Wochenende der Ausstellung „Who’s Afraid of Stardust“ mit queer Kunst stattfand, war sie gleichsam rücksichtsvoll ins vielfältige Kulturgeschehen rund ums Künstlerhaus eingebettet.

Also: Kein Grund zur Aufregung, dafür eine gute Gelegenheit, den Ball aufzunehmen und über den Namen der Kultureinrichtung zumindest mal zu sprechen? Ich fragte schriftlich nach bei Michael Bader, dem Direktor des städtischen KunstKulturQuartiers (KuKuQ), zu dem das Künstlerhaus gehört.

Herr Bader, ist es richtig, dass das Banner mit dem Schriftzug „Künstl*haus“ auf Anordnung des Kulturreferats am Montag nach dem Finissage-Wochenende wieder abgenommen werden musste?

Michael Bader: Nein, das ist nicht richtig. Das Banner wurde durch KuKuQ entfernt, da es nicht sachgemäß im Baustellenbereich des III. Bauabschnittes angebracht wurde und dies im Eingangsbereich des Künstlerhauses ein, wenn auch überschaubares, aber vorhandenes Sicherheitsthema darstellte.

Ich schickte Michael Bader folgende Nachfrage, auf die ich aber keine Antwort erhielt: Ist es also richtig, wenn angenommen wird, dass das Banner nicht aufgrund des Inhalts abgenommen wurde? Kann man davon ausgehen, dass künftige Interventionen, die kein Sicherheitsrisiko darstellen, etwa eine Beklebung der Fensterscheiben oder ein auf dem Fußboden angebrachter Schriftzug, nicht entfernt werden würden?

Ist es richtig, dass gegen die Initiatoren der Aktion eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs oder aus anderem Grund erstattet wurde oder die Erstattung in Erwägung gezogen wurde?

Eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch oder aus einem anderen Grund wurde nicht erstattet oder in Erwägung gezogen.

Warum wurde nach dem Umbau des Hauses in der Königstraße der Name „Künstlerhaus“ gewählt? Zuvor waren auch KOMM und K4 geläufig, warum fiel diese Wahl? Wer war an der Wahl des Namens „Künstlerhaus“ beteiligt? In welchen Gremien wurde der Name diskutiert? War die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Nürnberg beteiligt?

Künstlerhaus wieder ohne das "Künstl*haus"-Banner.
Und dann war es wieder weg, das „Künstl*haus“-Transparent. Foto: Möller

Seit der Eröffnung des Hauses im Jahr 1910 trägt es den Namen Künstlerhaus. Die Bezeichnung lehnt sich ab aus der sogenannten Künstlerhausbewegung im 19. Jahrhundert, die im deutschen Sprach- und Kulturraum zur Gründung etlicher Künstlerhäuser führte. In Nürnberg konnte ein Künstlerhaus vor allem aufgrund großem bürgerschaftlichem Engagement eröffnet werden, die Liste der Stifter um Ehrenbürger Ludwig Ritter von Gerngros ist auch Abbild des großen philanthropischen Engagements der jüdischen Gemeinde der Stadt. Bei der Gründung der neuen Dienststelle „KunstKulturQartier“ wurde die ursprüngliche und seit 1910 nie geänderte Bezeichnung Künstlerhaus für die Liegenschaft Königstraße 93 verwendet.

Ich schickte Michael Bader folgende Nachfrage, auf die ich aber keine Antwort erhielt: Dennoch war vor allem das Nürnberger KOMM mit überregionaler Strahlkraft deutschlandweit bekannt. Weshalb wurde also der Name „Künstlerhaus“ nicht durch einen inklusiveren ersetzt, wenn das Haus vormals unter anderem Namen bekannt war?

Meiner Kenntnis nach gab es einen Runden Tisch mit Menschenrechtsbüro, Gleichstellungsstelle und der Leitungsebene des Künstlerhauses, der über den Namen diskutiert hat. Was war das Ergebnis des Runden Tisches? Es gibt im Künstlerhaus und in dort aktiven Vereinen und Gruppen den Wunsch, nicht das generische Maskulinum zu verwenden und mit dem Namen der Kunsteinrichtung bereits deutlich zu machen, dass dort alle Menschen willkommen, aktiv und immer mit angesprochen sind. Halten Sie eine Debatte zu diesem Thema für sinnvoll? Wenn ja, in welchem Rahmen könnte diese geführt werden?

Es gab vor gut einem Jahr ein Treffen der Frauenbeauftragten, der Leiterin des Künstlerhauses, Anna Schwarm, der Künstlerin Simona Leyzerovich und mir. Meinen Sie dieses Treffen, das sicher nicht den Charakter eines „runden Tisches“ besaß? Ergebnis:

– offener, positiver und zugewandter Austausch.

– für KuKuQ ist es jedoch aus benannten Gründen kein akutes Thema.

Ich schickte Michael Bader folgende Nachfrage, auf die ich aber keine Antwort erhielt: Welche Gründe sind für das KuKuQ ausschlaggebend, das Thema nicht als akut einzustufen? Mittlerweile gibt es mehrere Meldungen, die Kritik am aktuellen Namen äußern, neben der Banner-Aktion beispielsweise der offizielle Name des im Haus aktiven Musikvereins „Musikverein im Künstler*innenhaus Nürnberg e. V.“. Es gibt Argumente, die in Kongruenz zur aktuellen wissenschaftlichen Debatte stehen, die für eine Anpassung des Namens im Sinne der von Ihnen angesprochenen Diversität und Vielfalt sprechen. Gibt es Anstrengungen, eine öffentliche Debatte über eine Namensänderung des Hauses seitens des KuKuQ anzustoßen? Was müsste geschehen um eine solche Debatte ernsthaft in Erwägung zu ziehen?

Die pinkfarbene Flagge vor dem Künstlerhaus ist ein Statement für Diversität und Vielfalt. Was spricht dagegen, dass dieses Statement auch im Namen diese Kultureinrichtung bereits zum Ausdruck kommt?

An künstlerischen Statements oder/und Interventionen wird sich KuKuQ immer gerne beteiligen bzw. diese initiieren. Das Kunstwerk „Flagge zeigen“ von Heidi Sill war Ergebnis eines von der Stadt Nürnberg ausgelobten Wettbewerbs und ist tatsächlich als „Statement für Diversität und Vielfalt“ mit Bezug auf alle im Haus stattfindenden Aktivitäten zu verstehen. Die Positionierung dieses Kunstwerks, sichtbar vor dem neuen Haupteingang des Hauses und dadurch auch mit Wirkung in den Stadtraum hinein, soll diesen Ausdruck signifikant verstärken. Nicht zuletzt auch führt Besucherinnen und Besucher ein „Regenbogen-Zebrastreifen“ direkt von der Königsstraße ans Haus – auch dies ein plastisches und sichtbares Zeichen für die hier gelebte Diversität und Vielfalt.

Das KuKuQ ist froh über den Debattenbeitrag

Wäre das Finissage-Wochenende der queeren Ausstellung „Who’s affraid of Stardust“ nicht eine gute Gelegenheit gewesen, dem Wunsch nach einer Debatte über den Namen des „Künstlerhauses“ nachzukommen und einen Raum für diese zu schaffen? Warum wurde diese Gelegenheit nicht genutzt?

Mit über 13 000 Besucherinnen und Besuchern war die „…Stardust“ Ausstellung sehr erfolgreich und viel diskutiert in der Stadtgesellschaft. Wir freuen uns gerade auch über die vielfältigen Vermittlungsangebote zu unterschiedlichen queeren Themen, bei denen sich Menschen austauschen konnten. Das KuKuQ ist sehr froh, zu diesem Themenkomplex einen aktuellen wie vielbeachteten Debattenbeitrag in Nürnberg angeboten zu haben. Der Name „Künstlerhaus“ stand dabei nicht zur Disposition.